Die österreichische Küche
Diesen Vortrag hielt ich im Jahr 2001 vor internationalen SchülerInnen der Sprachschule "Actilingua"
Wenn man an „österreichische Küche“ denkt, fallen einem spontan das Wiener Schnitzel oder der Tafelspitz ein, bei den Süßspeisen denkt man zuerst an die Sachertorte oder die Salzburger Nockerl.
Dass die österreichische Küche wesentlich vielfältiger ist, und dass es je nach Region verschiedene Spezialitäten gibt, das soll dieser Vortrag zeigen.
Außerdem soll dieser Vortrag belegen, dass gerade die österreichische Küche ein Beispiel für multikulturelle Entwicklungen darstellt.
Beginnen wir unsere kulinarische Reise im westlichsten Bundesland Österreichs, in Vorarlberg.
Die berühmteste Spezialität Vorarlbergs sind die Kässpätzle, auch Käsknöpfli genannt. Das sind im wesentlichen aus Eiern und Mehl hergestellte Spätzle, die mit Zwiebel und speziellen Vorarlberger Käsesorten angeröstet werden.
Überqueren wir nun den Arlberg und werfen wir einen Blick in die Kochtöpfe Tirols. Drei Spezialitäten tragen Tirol im Namen: Tiroler Knödel, Tiroler Gröstel und Tiroler Leber.
Tiroler Knödel, auch Speckchkchnedl genannt, werden aus Semmelwürfeln, Ei, Zwiebeln und Speck zubereitet. Sie werden entweder als Hauptspeise zu Sauerkraut gereicht, als Beilage zu Schweinsbraten oder als Suppeneinlage in einer Rindsuppe.
Tiroler Gröstel ist ein einfaches Gericht, bei dem gekochte Erdäpfel, Speck und Fleischreste von Geselchtem und Schweinsbraten in einer Pfanne geröstet werden.
Auch für Tiroler Leber wird Speck verwendet: Kalbsleber und Speck werden angeröstet, kräftig gewürzt und kurz in einer Rahmsauce gegart. Zu Tiroler Leber werden als Beilagen Salzkartoffeln und grüner Salat gereicht.
Ich habe in Hintertux, einem Fremdenverkehrsort in Tirol als Kochlehrling gearbeitet. Zu manchen Speisen wurde Sauce Tyrolienne gereicht. Das war allerdings eine Mischung aus gewöhnlichem Ketchup und gewöhnlicher Mayonnaise, also zwei urtypischen Produkten der Tiroler Küche.
Für das Bundesland Salzburg möchte ich zwei Spezialitäten beschreiben:
Die bekannteste Spezialität sind wohl die Salzburger Nockerl, die sogar in manchen Schlagern und Operetten besungen werden. Salzburger Nockerl stammen eigentlich aus der französischen Küche und bestehen in erster Linie aus Mehl, Eiern, Zucker und vor allem viel Luft.
In einer Region des Bundeslandes Salzburg, im Pinzgau gibt es eine Variante der Kässpätzle, die Kasspatzln. Sie werden im Gegensatz zu Kässpätzle ohne Eier hergestellt, und man verwendet eine andere Käsesorte. Manchmal kann man Vorarlberger und Pinzgauer beobachten, wie sie streiten, wer nun die wahren Erfinder dieser Speise sind.
Die Namen dieser Speise zeigen auch sehr schön den Unterschied zwischen dem alemannischen Dialekt, der in Vorarlberg gesprochen wird und dem bairischen Dialekt, der in verschiedenen Variationen im restlichen Österreich gesprochen wird.
Südlich von Salzburg befindet sich das sonnige Bundesland Kärnten, das mit besonderen „Schmankalan“ aufwartet: Die Kärtner Kasnudeln sind weder in der Form noch im Geschmack mit den Kässpätzle oder den Kasspatzln verwandt, sondern eher mit den Ravioli. Gerade die Kärntner Küche ist ein Resultat einer geglückten Mischung von italienischen, slowenischen und alpenländischen Regionalküchen. Die Kärtner Kasnudeln bestehen aus Nudelteig, dünn ausgewalzt, zu einer faustgroßen Tasche geformt und mit verschiedenen Köstlichkeiten gefüllt. Mit Topfen und Gartenminze zum Beispiel, oder auch mit Fleisch, Pilzen und vor allem als Dessert auch mit Dörrobst.
Die Steiermark liegt westlich von Salzburg. Seit nicht ganz achzig Jahren werden in der Steiermark Kürbisse angebaut, die in dieser sonnigen Landschaft sehr gut gedeihen. Aus Kürbiskernen wird das berühmte steirische Kernöl gewonnen, das nicht nur sehr gesund ist, sondern auch hervorragend schmeckt. Viele Leute vergessen ganz, dass Kürbisse erst ein sehr junges steirisches Kulturgut darstellen. Eine wirklich alte steirische Spezialität, das ist der Heidensterz. Heidensterz besteht aus dem Mehl von Buchweizen, einer alten Getreidesorte und Grammeln. Grammeln werden aus dem Bauchfett von Schweinen hergestellt und sind in der gesamten österreichischen Küche zu finden. Vor allem in ländlichen Regionen. Zum Heidensterz wird meist eine Schwammerlsuppe gereicht.
Die Steiermark ist auch für besonders gute Weine bekannt. Wer im Sommer in die Steiermark fährt, sollte unbedingt einen Buschenschank besuchen: In einem Buschenschank servieren Weinbauern Weine aus ihrem eigenen Weingarten, dazu gibt es kleine Gerichte. Besonders zu empfehlen ist eine Haussulz in Essig und Kernöl. Die Haussulz besteht aus verschiedenen Fleisch- und Gemüsesorten, die in einem Gelee eingelegt sind. Buschenschanken gibt es auch in den Weinregionen Niederösterreichs, des Burgenlandes und in den Weinbergen von Wien.
Nördlich der Steiermark liegen die Bundesländer Ober- und Niederösterreich.
Eine besonders rustikale Region des Bundeslandes Oberösterreich ist das Innviertel. Das Innviertel hat nicht nur eine äußerst eigenwillige Volksmusik hervorgebracht, die sogenannten Innviertler Landler, sondern auch eine sehr deftige Küche. Wer im Innviertel ein Landgasthaus besucht, sollte sich auf keinen Fall eine Innviertler Knödelplatte entgehen lassen. Auf Bergen von Sauerkraut werden Grammelknödel, Hackelknödel und Fleischknödel angerichtet. Allen drei gemeinsam ist, dass es sich um gefüllte Knödel aus Erdäpfelteig handelt. Grammelknödel sind mit faschierten Grammeln gefüllt, die Hackelknödel mit kleingeschnittenem Geselchten und die Fleischknödel mit faschiertem Schweinefleisch. Als dazupassendes Getränk kann man Rieder Bier empfehlen.
Auch Niederösterreich hat eine alte Knödeltradition, hier werden Knödel aber vor allem als Beilage zu deftigen Speisen serviert. Berühmt sind die Waldviertler Knödel, die zur Hälfte aus rohen und zur anderen Hälfte aus gekochten Erdäpfeln zubereitet werden, was einiges an Kunstfertigkeit abverlangt. Waldviertler Knödel und Sauerkraut sind unverzichtbare Beilagen zum sogenannten Bauernschmaus, der aus Schweinsbraten, gekochtem Geselchten und einem Frankfurter Würstel besteht.
Im Süden Niederösterreichs befindet sich die Wachau, die einerseits für ihre guten Weine bekannt ist und andererseits für die Marillen. Marillen werden nicht nur zu Marmelade und zu Schnaps verarbeitet, sie sind auch in den Marillenknödel ein besonderer Genuss. Das sind süße Knödel aus Erdäpfelteig mit jeweils einer Marille als Füllung. Sie werden in gerösteten Semmelbröseln gewälzt und mit Zimt oder Kakao und Zucker serviert.
Das östlichste Bundesland Österreichs ist das Burgenland. Das milde pannonische Klima macht das Burgenland zu der Weinregion Österreichs. Die Küche des Burgenlandes ist sehr ähnlich der Küche der Steiermark. Sie wird aber durch kroatische und ungarische Einflüsse bereichert. Eine alte burgenländische Spezialität sind die Fosn, das sind in Öl gebackene Teigtaschen, die es mit unterschiedlichsten salzigen oder süßen Füllungen gibt. Ein typisches Gericht, das früher von armen Leuten zubereitet worden ist, ist die Burgenländische Bohnentorte, eine Süßspeise, die aus weißen und dunklen Bohnen zubereitet wird. Als Beispiel für die kroatische Küche im Burgenland soll der Kroatische Krautstrudel genannt werden und als für die ungarische Küche die Gulaschsuppe.
Kommen wir nun aus unserer kulinarischen Reise durch die Bundesländer zurück nach Wien, der Hauptstadt von Österreich. Hier finden wir neben den Spezialitäten aus den Bundesländern vor allem böhmische Einflüsse. Diese stammen von den böhmischen Hausangestellten, die bis zum ersten Weltkrieg in vielen reichen Familien für einen abwechslungsreiche Küche sorgten.
Wir wollen uns aus der Wiener Küche vier Spezialitäten herausgreifen: Das Wiener Schnitzel, den Zwiebelrostbraten, den Tafelspitz und die Sachertorte.
Das Wiener Schnitzel ist in Mehl, Eiern und Semmelbrösel gewälztes und in viel Öl gebackenes Kalbfleisch. Diese Zubereitungsmethode nennt man Pannieren. Sie stammt aus dem Byzanz:. Dem oströmischen Kaiser Basileus in Byzanz - heute Konstantinopel bzw. Istanbul - wurden an der Tafel die erlesensten Fleischstücke mit Blattgold überzogen serviert. Reiche Leute ahmten immer schon gern die Sitten und Gebräuche der Kaiser und des Hofes nach. Da Blattgold aber zu teuer war, wurden andere Methoden erfunden, das Fleisch zu überziehen. Das Wiener Schnitzel hat sein Vorbild allerdings im Mailänder Schnitzel, "das der legendäre Feinschmecker und Rückzugsspezialist Radetzky als cotoletto milanese entdeckt haben soll“ . Es kam erst im 19. Jahrhundert nach Wien.
Eine Variante des Wiener Schnitzels ist das Gebackene Schweinsschnitzel, das genau so zubereitet wird, allerdings wird an Stelle des Kalbfleisches Schweinefleisch verwendet.
Der Tafelspitz geht auf den Kaiser Franz Joseph zurück, dem die kaiserliche Hofküche zu aufwendig war und befand, dass gekochtes billiges Rindfleisch ausreichend sei. Auch in Wien ahmten die reichen Leute die kaiserlichen Gebräuche nach, und so fand der Tafelspitz seinen Weg in die gehobene Wiener Küche.
Der Zwiebelrostbraten besteht auch aus Rindfleisch. Das gebratene Rindfleisch wird in einer Sauce und bestreut mit Röstzwiebel serviert.
Literatur
:
· Alvensleben, Ludolf von: Saus & Braus. Berlin 2000.
· Bauer, Kurt & Deisl, Edgar: Theorie neuzeitlicher Küchenpraxis. Methodische Grundlagen einer praxisorientierten Fachkunde. Linz 1978.
· Berger, Franz Severin: Die Geschichte des Wiener Schnitzels und anderer Nationalgerichte. In: Extra. Beilage zur Wiener Zeitung. 15.12.2000
· Deissen, Eva: Neue Kronen Zeitung Kochbuch. Wien 1991.
· Fortin, Jaques (Hg. der französischen Originalausgabe) : Food Guide Internationaler Lebensmittelkompass. Köln 1999.
· Kofranek, Albert: Das Neue Donauland Kochbuch. Wien 1975.
· Mayer, Edith (Red.): Die Thea Jahreszeiten. Kochen nach Saison. (=Thea Kochbuch Nr. 15). Wien 1999.
· Richter, Ernest & Wagner, Christoph: Fini’s Feinstes Mehl Speisenbuch [sic]. Rezepte aus Großmutters Küche. Wien 1998.
· Wallner, Rosemarie und Ursula: Wiener Bäuerinnen kochen. Die Küche der Wiener Gärtnerinnen, Bäuerinnen und Weinhauerinnen. Innsbruck 1996.