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Ich
bin am 4. April 1961 in Linz auf die Welt gekommen. Und das nicht
freiwillig: Mit einer Saugglocke wurde ich in diese Welt gezerrt, was
zu einer zeitweiligen Verformung meines sonst so wohlgestalteten Kopfes
führte.
Auch die Schulbildung ließ ich nur
widerwillig über mich ergehen. Wogegen ich mich aber am meisten
sträubte, war die Kappe, die mir meine wohlwollende Mutter für den
Schulweg aufdrängte. Diese Kappe lernte ich erst zu schätzen, als sie
mir eines Tages ein Raufbold (der Buchberger Werner) vom mittlerweile
wieder rückverformten Kopf riss und sie vor ein fahrendes Auto warf.
Der Raufbold erhielt die einzige Ohrfeige, die ich je in meinem Leben
jemanden verpasste, was in Anbetracht meiner eher schwächlichen
Konstitution nicht viel Wirkung zeigte. Die besagte Kappe aber trug ich
seit damals mit größtem Stolz, allen Raufbolden zum Trotz. Und als dann
die Zeit kam, mich von der Kappe zu trennen, war ich schon acht Jahre
alt.
In diese Zeit fiel auch die Übersiedelung
unserer Schule auf die andere Seite der Westbahn der geteilten
Ortschaft St. Valentin. Wer damals etwas auf sich hielt, legte den
Schulweg mit einem Tretroller zurück. Ich hielt zwar etwas auf mich,
aber meine Eltern konnten es sich nicht leisten, mich mit so einem
teueren Gefährt auszustatten. Einmal aber war mein Cousin Edgar krank,
und er borgte mir seinen Tretroller. Voller Stolz trat ich den Schulweg
an und fühlte mich als King Of The Road. Dieses Hochgefühl dauerte aber
nur kurz, denn ein Raufbold und zugleich ortsbekannter Kraftlackel (der
Hochwallner Fritzi) gab mir einen derart kräftigen Tritt in den beim
Tretrollerfahren doch sehr exponierten Hintern, dass ich den Roller den
restlichen Schulweg schieben musste, und somit eine eher traurige
Gestalt abgab. (Raufbolde gab es damals zum Saufuttern, und schön
langsam wurde ich zum überzeugten Pazifisten).
Ich
komme jetzt besser auf meine musikalische Karriere zu sprechen. In der
Volksschulzeit wurde meine Sängerlaufbahn von meiner Lehrerin insofern
gefördert, als sie mir zu Anfang jeder Singstunde eine Ohrfeige
verpasste. Daraufhin traute ich mich nicht mehr zu singen, woraufhin
mich die Lehrerin mit neuen Ohrfeigen zum Weitersingen ermunterte.
Gegen Ende des Schuljahres fand in Stadt Haag ein Schülerwettsingen
statt, an dem ich aber nicht teilnahm.
Mit zwölf
Jahren begann ich Geigenunterricht zu nehmen. Nach einem Jahr sollte
ich meinen ersten Auftritt haben: Beim Jahresabschlusskonzert der
Musikschule sollte ich Kein Schöner Land Zu Dieser Zeit spielen. Mein
Name war auf den Ankündigungszetteln abgedruckt, groß war die Aufregung
beim Ankauf eines passenden Anzuges und des dazugehörigen Mascherls,
aber zum Auftritt kam es dennoch nicht: Bei der Generalprobe spielte
ich derart erbärmlich, dass mich der Musikschuldirektor kurzerhand vom
Programm strich. Ich unterbrach daraufhin meine Geigerlaufbahn für ein
paar Jahre.
In der zweiten Hälfte der 70er Jahre ging
ich auf das Oberstufenbundesrealgymnalsium Perg, wo ich wieder
Geigenunterricht genoss. Weniger Genuss war das für meinen verehrten
Geigenlehrer Josef Gattringer, der mir für jede Musikstunde ein Stück
freier Wahl aufgab. Und fast jedes Mal spielte ich Lang Lang Ists Her,
nur einmal spielte ich Näher Mein Gott Zu Dir. Dafür spielte ich in
dieser Zeit in vielen Bands: E-Gitarre bei THE SLING WAY, Keybords bei
den HOUND DOGS, THE ROCKIN´ SPLASH, KARLINGER JOE´S FREUNDEN und bei
THE SIGMA, Banjo bei MOTTL UND DIE WAMPERTEN, THE BIG MOTT und UNCLE
ROBBIES FAVORITS und Geige beim Folkduo TSCHUSCH UND HASENBAUER, das
ich mit Klaus W. Hasenbauer gegründet hatte.
Ich spielte mit all diesen Formationen auf regionalen Festivals, auf Partys, auf Bällen und in einem Bordell.
Anfang
der 80er Jahre war ich der erste Schüler Österreichs, der wegen eines
"Nichtgenügend" in Turnen nicht zur Matura zugelassen wurde. Daraufhin
kehrte ich sowohl der Schule als auch meiner Heimat den Rücken und ging
als Kochlehrling nach Hintertux, wohin ich auch meine Geige und meine
Gitarre mitnahm. An manchen Abenden spielte ich in den Hintertuxer
Lokalen Gitarre, wofür ich mit Bier belohnt wurde. Allerdings wollten
die meisten Gäste nicht meinen Rock´n´Roll hören, sondern Die Lustigen Rittersleut, das Scheiße-auf-den-Autoreifen-Lied oder (tiefster Abstieg!) das Kufstein-Lied.
Bald wurde ich dieser Art zu musizieren überdrüssig, wie ich auch des
Tiroler Gastgewerbes mit seinem eigenartigen Berufsethos und der ewigen
Hetzerei schon lange überdrüssig war.
Ich kehrte
zurück in meine Heimat, wo ich mich mit Gelegenheitsjobs redlich
nährte. Allerdings rückte dabei meine Freude am Musizieren in den
Hintergrund.
Erst als ich nach vielen
Abenteuerfahrten Ende der 80er Jahre nach Wien zog, um das ehrenwerte
Gewerbe eines Tankwartes auszuüben, wendete ich mich wieder der Musik
zu. Drei Jahre übte ich unermüdlich das Gitarre- und Geigenspiel, wofür
mein damaliger Wohnungskollege, Herr Götz Bury viel Geduld und
Verständnis aufbrachte.
Mediale Beachtung fand
vorerst allerdings nur meine Textertätigkeit für meinen Cousin Edgar,
der als JOHNNY MOT den Austropop umkrempelte. Mit ihm brachte ich es
sogar zu einem Fernsehauftritt: Sein Keyborder hatte zum Sendetermin
keine Zeit, und so sprang ich für ihn ein. Mein Cousin gab daraufhin
das Johnny Mot Projekt auf und ist nun mit anderen und
unterschiedlichen Musikprojekten aktiv.
Mit meinem
Eintritt in die Universität Wien – mittlerweile hatte ich die Matura
nachgeholt – war ich bei folgenden Musikprojekten beteiligt: BIG BULL
DOZZER AND THE FLYING BULLDOGBOYS FEATURING BERNIE BATTACK AND
OBERBATTACK, JERRY COOL AND THE FROSTERS, beim ROBERT STOLZ
GEDÄCHTNISCHOR, bei THE FRIENDLY BOYS, WE PLAY ´TILL YOU PAY sowie bei
MOTTAS UND PICHLER. Gemeinsam mit Christoph Pichler komponierte und
textete ich unseren Beitrag zum Songcontest: Wenn Ein Haus Brennt, der allerdings nicht angenommen wurde.
Ich
bin wieder in die Heimat zurückgekehrt, arbeite als Redakteur in Perg,
dem Ort, in dem ich meine beschissene Schulzeit verbracht hatte und von
dem ich seinerzeit behauptet hatte, dass ich nie wieder meinen Fuß in
dieses "elende Kaff " setzen würde.
Mittlerweile hat mich Perg davon
überzeugt, alles andere als ein elendes Kaff zu sein, sondern vielmehr
eine charmante – wenngleich etwas verschlafene – Stadt mit durchwegs
liebenswürdigen BewohnerInnen.
Zur Zeit spiele ich in einer Band: BIG BULL DOZZER AND THE FLYING BULLDOGBOYS Noch eine Band wartet nur noch darauf, einen Proberaum zu finden: THE FLATCATS. Diese Band könnte mit Fug und Recht als Sensation angepriesen werden: Keine geringeren als Charly Lechner, Edgar Mottas und meine Wenigkeit wollen eine Rockin' Splash Revival Band formieren.
Zum Wahrheitsgehalt dieser Biografie:
Da diese Biografie gern für bare Münze genommen wird, erkläre ich feierlich: Ein Drittel der Biografie entspricht der Wahrheit, für ein Drittel enthält ein Körnchen Wahrheit und ein Drittel ist erstunken und erlogen.
Aktualisierung, Jänner 2006:
Nach wie vor bin ich Redakteur der selben Wochenzeitung, doch nicht mehr in Perg sondern mittlerweile in Amstetten, einer Stadt deren allfällige Liebenswürdigkeit sich mir noch nicht erschlossen hat. (Kann ja noch werden...)
Schon seit langer Zeit kenne und schätze ich jetzt die Liebenswürdigkeit der Stadt Amstetten. Sträflicherweise habe ich es verabsäumt, diesen Teil meiner Website zu aktualisieren und ich danke der Kulturstadträtin Ulrike Königsberger-Ludwig für diesen Hinweis.
Vor allem schätze ich in Amstetten die vielfältige und reiche Kulturszene, die mir immer wieder die Gelegenheit gibt, tolle Veranstaltungen zu besuchen. Die vielen Ausstellungen und Konzerte der Region sind nicht nur kulturelle Ereignisse, sondern auch eine gute Möglichkeit interessante Menschen zu treffen und anregende Gespräche zu führen oder ein bisschen zu plaudern. Dass Amstetten auch eine soziale, tolerante und offene Stadt ist sage ich nicht weil ich mich einschmeicheln will: Als Redakteur habe ich ja ein bisschen Einblick und weiß wovon ich spreche.
Eine Institution möchte ich besonders hervorheben: Das Café Zum Kuckuck, das viel mehr als ein Café ist; nämlich ebenfalls eine Kulturinstitution.
Weiter im Jahr 2006:
Aus den FLATCATS ist es dann doch nichts geworden, zwei Proben und ein Live-Auftritt, mehr war leider nicht drin. Aaaaaber: eine heiße neue Band darf ich bekannt geben: Der Redakteur Hannes Fehringer (Gitarre, Banjo, Slide-Dobro, Mandoline, Gesang), die Fotografin Doris König (Gitarre, Gesang) und ich (Gitarre, Geige, Gesang) haben uns zu einer Hillbilly-Band zusammen getan. Wir haben noch keinen Namen, was ein gutes Zeichen ist. Denn wenn alle Musiker, die je bekannt gegeben haben, sie würden gern mit mir spielen und das auch wirklich ernst meinten und wo es dann doch nichts draus wurde, wenn die alle auf einer Bühne stehen würden, dann hätte ich eine gigantische Big Band beisammen. (Alleine die Rhythmusgruppe würde drei Schlagzeuger, vier Pianisten, einen (!) Bassisten und sieben Gitarristen aufweisen). Mit vielen dieser Wunsch-Musikpartnern hatte ich noch vor der ersten Probe (die dann eh nicht statt gefunden hat) bereits einen Bandnamen.
Aktualisierung Jänner 2007:
Stellen
Sie sich das vor: obwohl wir einen Bandnamen haben gibt es uns noch
immer. So zirka einmal pro Woche mache ich mit Hannes Fehringer
Hausmusik: Wir breiten all unsere Instrumente aus und jammen dann nach
Herzenslust. Ginge es nach dem Hannes würden wir nur Bluegrass spielen.
Ginge es nach mir würden wir nur Blues und Rock'n'Roll spielen.
Regelmäßig treten wir beim Tauschabend im Ennser Kulturzentrum d'Zuckerfabrik auf und haben großen Spaß daran.
Ah den Bandnamen wollen Sie wissen? Lens'n'Pens. Bis uns was gescheiteres einfällt zumindest.
Aktualisierung Jänner 2008
Unser Bandname hat sich leicht verändert und schreibt sich jetzt "Lens-n-Pens". Eigentlich geht diese Schreibung auf einen Irrtum zurück, als einer Veranstalterin den Namen übers Telefon buchstabierte. Nach wie vor spielen wir Bluegrass, Rock'n'Roll und ein bisschen Blues. Nur der Hannes hat sich zu seinen Banjos, Mandolinen, der Gitarre und der Dobro jetzt eine Elektro-Lapsteelgitarre gekauft (Spitzname "Jausnbrettl"), eine Akkustik-Lapsteelgitarre und eine Ukulele. auch noch.
Aktualisierung März 2009
Jetzt haben wir doch einen neuen Namen. Kurzfristig nannten wir uns "Mähdrescherhilfe Mostviertel". Unter diesem Namen haben wir allerdings weder geprobt noch live gespielt. Unser aktueller Name lautet "The Flatcat Ramblers". Bei unserem Kurzauftritt beim Tauschabend in der Zuckerfabrik, am 6. März 2009, gaben wir der Welt den neuen Namen bekannt.
Aktualisierung September 2009
Die Flatcat Ramblers bestehen mittlerweile aus vier Musikern: Walter Bayer, Hannes Fehringer, Norbert Mottas und Markus Riegler. Am 19. September gab es im Schloss Ulmerfeld das erste Konzert in dieser Besetzung.
Aktualisierung im Oktober 2012
Uns gibt's immer noch; wir heißen immer noch "Flatcat Ramblers" und mittlerweile sind wir sogar zu fünft: Walter Bayer (Bass, Gesang), Gabi Bayer (Mandoline), Hannes Fehringer (Gitarre, Dobro, Mandoline, Banjo, Gesang), Norbert Mottas (Gitarre, Fiddle, Gesang) und Markus Riegler (Harps und Gesang)
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Landläufigerweise stellt man sich Atome als Kugeln vor, die von kleineren Kugeln umkreist werden.
Genausogut könnte man sie sich als Esel vorstellen, die an Kirtagen mit Kindern am Buckel auf einer Wiese im Kreis geführt werden.
Oder man kann sich Atome als Massenschlägerei bei einem Volksfest vorstellen.
Man liegt nicht richtiger und auch nicht ganz daneben, wenn man sich Atome als Fenster vorstellt, die der Wind aufreißt, und dann wieder zufallen lässt, um sie gleich wieder aufzureißen und zufallen zu lassen. Solange, bis es jemanden auf die Nerven geht.
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Der
eine Briefträger heißt Franz und ist 35 Jahre alt. Den anderen werden
Sie noch früh genug kennen lernen. Nur so viel zu seiner Person: Er
heißt auch Franz und ist ebenfalls 35 Jahre alt. Ihrer beider Chef
heißt Dr. Franz Lechner. Dieser ist 70 Jahre alt. Und somit sind wir
schon mitten drin in der spannendsten Handlung: Sie verläuft entlang
des Handlungsstranges, der den narrativen Bogen an zwei Punkten
schneidet: Punkt A ist die Schnittstelle, an welcher der erste
Briefträger Franz in die narrative Struktur eingeflochten wird. Zu
diesem Behufe erhält er von Dr. Franz Lechner einen heiklen Auftrag.
Dieser Auftrag führt ihn entlang der narrativen Achse ins Ungewisse.
Der
andere Briefträger Franz betritt die Geschichte am Punkt B und folgt
der narrativen Achse zum Punkt A. Dort trifft er mit dem ersten
Briefträger Franz zusammen, und es stellt sich eine frappierende
Ähnlichkeit der beiden Briefträger heraus. Diese Ähnlichkeit beschränkt
sich nicht nur auf das äußere Erscheinungsbild sondern erstreckt sich
auch auf die inneren Wesensmerkmale der Briefträger. Diese schwach
ausgeprägte Differenzierung der Charaktere bewirkt eine Unschärfe im
Handlungsablauf die noch dadurch verstärkt wird, dass beide Briefträger
entlang der selben narrativen Achse agieren. Gerade diese Unschärfe
verstärkt wiederum den Eindruck einer destabilisierenden Ungewissheit,
die allmählich auch auf Dr. Lechner überspringt. Dr. Lechner schwebt in
seiner Omnipräsenz in einer dritten Dimension über dem narrativen Bogen
und betritt somit auch an keinem Punkt die narrative Achse.
Symmetrisch
zur Platzierung Dr. Lechners über dem narrativen Bogen befindet sich
unter dem narrativen Bogen das unpersonifizierte Schicksal. Diese
beiden dipolischen Positionen, oben Dr. Lechner: Chef der Briefträger
und somit aktiv Gestaltender, unten das Schicksal, jeder aktiven
Gestaltung entgegenwirkend, evozieren eine die gesamte Erzählung
prägende Dialektik.
Zur Geschichte selbst:
In
einem kleinen Dorf im Mühlviertel kommt der Postautobus mit zehn
Minuten Verspätung an. Er hält direkt vor dem Postamt. Dr. Franz
Lechner, der sich gerade auf dem Weg zum Kirchenwirt befindet, grüßt
den Chauffeur und lädt ihn zu einem Imbiss ein. Zur Jause trinken die
beiden mehrere Krügerl Bier, und nachdem der Wirt die Jausenbrettl und
das Brotkörberl weggeräumt und einen Brezerlständer mit Bierbrezerl
gebracht hat, holt Dr. Franz Lechner einen Stapel Schnapskarten aus der
Tasche.
Die beiden Briefträger Franz betreten das
Lokal, rufen dem Wirt ihre Bestellungen zu und begeben sich an den
Tisch, an dem Dr. Franz Lechner und der Chauffeur sitzen.
Viererschnapsen ist angesagt. In den Spielpausen werden die
Spielverläufe diskutiert, was mitunter zu hitzigen Debatten führt:
"Waun du ned zuadraad hädsd, häd i an dswandsga ausong kena, daun häd
da Peeda sein Kini ausspühn miasn, daun warad ..." "Bisd deppad? Waun i
ned dsuadraad häd, daun häd da Fronds in Weli ..."
Dr.
Franz Lechner schüttelt ungläubig den Kopf, zündet sich eine Falk an
und nimmt dann einen tiefen Zug aus dem Bierglas: Schau an, schon
wieder leer!
Am Nebentisch nehmen nun Ortsfremde
Platz. Zwei Paare. Ihrer Kleidung nach Urlauber, die sich nach einer
Wanderung stärken. Ihrer Sprache nach Norddeutsche. Die Urlauber
studieren die Speisekarte und entscheiden sich für Gefüllte Paprika.
Sie sind gut gelaunt und plaudern harmlos über die schöne Wanderung.
Der
eine Briefträger Franz geht zur Toilette, wodurch das Kartenspiel für
kurze Zeit unterbrochen wird. Der andere Briefträger Franz, Dr. Franz
Lechner und der Busfahrer schnappen Gesprächsfetzen der Urlauber auf.
Aus
ungeklärter Ursache reagieren manche Österreicher allergisch auf
deutsche Urlauber und nehmen es geradezu persönlich, dass Deutsche für
manche Speisen eigene Ausdrücke verwenden. Und wenn Deutsche dann noch
die Frechheit besitzen, gut gelaunt zu sein und sich über ihren Urlaub,
die schöne Landschaft und das gute Essen zu freuen, dann schlägt das
dem Fass den Boden aus. Der andere Briefträger Franz, Dr. Franz Lechner
und der Busfahrer blicken zur Decke und nicken sich dann zu, um sich
ihrer Übereinstimmung in der Einstellung zu deutschen Urlaubern zu
vergewissern. Als der eine Briefträger Franz vom Klo zurückkommt, geht
er am Tisch, an dem die Urlauber sitzen, vorbei und zeigt seinen
Kartenpartnern ebenfalls einen Blick zur Decke.
Die
Deutschen bemerken vorerst nichts und besprechen den Nachtisch. Einer
der Deutschen verwendet das Wort "Quark". "Des hasd bei uns Dopfm!"
sagt der Busfahrer laut und schaut dabei Dr. Franz Lechner an. Die
Deutschen fühlen sich nicht angesprochen und bestellen Kàffe mit Sahne.
Der
Busfahrer ruft dem Wirt nun laut eine Bestellung zu: "Kàffe mit Sahne
und 'ne Käsesahnetorte!" wobei er sich bemüht, eine norddeutsche
Aussprache nachzuäffen.
Der Wirt versteht den Schmäh
und bringt ein Bier, die Deutschen missverstehen die Schmähung und
halten das für eine sympathische Art der Österreicher zu grüßen. Einer
der Deutschen ruft dem Kartlertisch zu: "Eine schöne Gegend haben Sie
hier!" Seine Frau sagt: "Und so nette Leute!" Dr. Lechner brummt:
"Nojo. Des scho." Und hat ein bisschen ein schlechtes Gewissen. Auch
der Busfahrer denkt sich, es gibt doch ein paar nette Deutsche, und als
Sühne für seine Schmähung bestellt er eine Runde Stamperl für die
Deutschen. Die lassen sich nicht lumpen und ordern ihrerseits eine
Runde für den Kartlertisch.
Um es kurz zu machen: Es
wurde ein furchtbares Saufgelage, irgendwann begannen die beiden
Briefträger, der Busfahrer, Dr. Franz Lechner ("sogds Frandsl zu mia!")
und die Deutschen zu singen. (Die lustigen Rittersleut, Das Kufstein
Lied, Am Bruuuunnen vor dem Toooore, Oh wie woooohl ist miiiiiiir am
Aaaaaaaabend (als Kanon!) ...)
Wenn Betrunkene singen, dann gelten eigene Harmoniegesetze. Betrunkene singen immer mehrstimmig. Am schönsten ist Aaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaveeeeeee Mariiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiii-ijaah!, dargeboten von einem betrunkenen Madrigalchor. Auch das Wolgalied hat es in sich, aber da gibt es immer die Diskussionen, wie der Zwischenteil geht.
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Wenn
ich meine (mittlerweile Ex-)Freundin anrufen wollte, dann passierte es
oft, dass sie mich mit einem Redeschwall am Telefon überfiel und mir
gar keine Gelegenheit gab, den Grund meines Anrufes auszusprechen.
Sie: Waldfischer. (?)
Ich: Hallo, da spricht der Norbert.
Sie:
Da Stefan und i, mir schaun uns gråd an Füm an, wo da Teddy Floydt
mitspüt, und jetzt san grod die Gauner in a Haus gångan, wo a gfesslta
Polizist drin sitzt, und des is sooo lustig, wei vorher håmma uns an
Füm angschaut, wo a a gfesslta Polizist voakomman is, und dazua trink
ma an Martini, und jetzt håm die Gauna in Polizistn daschossn und -
STEEFANN! (Kreisch!) Uahuhuhuhuhuu! (Lachanfall) Jetzt hot a ma scho
des zweite Glasl Martini aufs Gleid gschütt! Oba jetzt muaß i aufhean,
wei jetzt kommt glei die Werbung! Tschühüß! STEEFANN! (Kreisch!).
Aufgelegt.
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(Aus dem Zyklus: Tauben in der Welt der boshaften Physik)
Was
vom Paprika übrig geblieben war, lag nun als riesiges Ungetüm in der
Gegend. Die weißen Tentakel, an denen noch Kerne hafteten, ragten wie
klagende Arme in den Himmel. Bald würden sich dort Tauben einnisten,
und ihr Kot würde sehr schnell den Paprika bedecken. Dann würde nichts
mehr daran erinnern, dass hier Big Bull Dozzer Rast gehalten und eine
Wurstsemmel und einen Paprika verspeist hatte.
Big
Bull Dozzer war aufgestanden und weiter gegangen, als er noch am
letzten Bissen seiner Wurstsemmel kaute. Er hatte nun Durst. An alles
hatte er gedacht, bei seinen Reisevorbereitungen, nur nicht an
Getränke. Und so wie die Dinge standen, würde er erst am Abend in
Alimonia eintreffen. Er freute sich schon auf das Bier in Carinthia's
Pub. Das war der einzige Ort in Alimonia, wo man vernünftiges Bier
bekommen konnte. Doch bis dorthin war es noch ein breiter und staubiger
Weg. Big Bull Dozzer verfluchte die Idee, ausgerechnet die scharfe
Ziegenwurst in die Semmel gepackt zu haben. Und die Sonne brannte ihm
unbarmherzig ins Genick. Ein Motorengeräusch riss Big Bull Dozzer aus
seiner Verzweiflung. Er bemerkte schon aus der Ferne, dass sich ein
einsames Campingmobil näherte. Big Bull Dozzer handelte rasch: Er legte
sich auf die Straße und stellte sich ohnmächtig. Wie erwartet hielt das
Campingmobil. Ein älteres Ehepaar stieg aus. In dem Augenblick, als
sich der Mann über Big Bull Dozzer beugen wollte, sprang jener auf,
packte diesen mit beiden Händen am Kragen, schüttelte ihn und schrie:
"Okay, ihr Lieben: Wenn ihr hier irgendwo Bier im Wagen habt, dann
rückt ganz schnell damit heraus!" Die erschrockene Frau stieg in das
Wohnmobil und holte aus dem Kühlschrank zwei Dosen Bier und die
Kassette mit der Urlaubskasse. Das stellte sie ohne zu sprechen vor Big
Bull Dozzer hin. Dieser schrie: "Ich will nur das Bier, kein Geld,
verstehst du!" Während er den Mann noch immer mit der Linken festhielt,
griff er sich mit der Rechten in die Gesäßtasche, holte einen
Geldschein hervor und stopfte ihn dem Alten in die Hemdtasche. "So",
schrie er, "das ist fürs Bier! Und jetzt fahrt weiter, ich mag keine
durstigen Leute in meiner Nähe haben, wenn ich mein Bier trinke." Als
die beiden ins Auto stiegen, schrie er: "Euer Geld! Euer verdammtes
Geld! Ihr habt das Geld vergessen." Er nahm die Kassette und reichte
sie der Frau, wobei er mit plötzlich väterlicher Stimme sagte: "Wie
kann man nur so leichtfertig sein."
Als die beiden
abgefahren waren, setzte sich Big Bull Dozzer an den Straßenrand und
trank die beiden Dosen Bier. Die erste für den Durst und die zweite
wegen der Anstrengungen. Dermaßen gestärkt, setzte er den Weg nach
Alimonia fort.
Kurz nach Einbruch der Dunkelheit
erreichte Big Bull Dozzer sein Ziel: Carinthia's Pub in Alimonia.
Dieses war nach alter Westernart eingerichtet, mit zwei Schwingtüren
als Eingang. Big Bull Dozzer trat dermaßen heftig ein, dass die
Schwingtüren noch eine Stunde lang hin und her schwangen. Er ging zur
Bar und schrie: "Da bin ich wieder, und jetzt will ich ein Bier!" Ein
Mann von sehr kräftiger Statur stand von seinem Tisch auf, trat auf Big
Bull Dozzer zu, verabreichte ihm zwei schallende Ohrfeigen und brüllte:
"Big Bull Dozzer, da bist du ja wieder!" Big Bull Dozzer schlug zurück
und legte dann seine Pranke dem Gegenüber auf die Schulter und schrie:
"Bonanza, du altes Haus!" Die Gäste in Carinthia's Pub waren das
Spektakel, das sich hier alle paar Wochen abspielte, schon gewohnt und
schenkten dem Ganzen keine Aufmerksamkeit. Nur eine leise Stimme sagte:
"Big Bull Dozzer ist wieder da!" Aber das gehörte ebenfalls zum Ritual.
Von
draußen kam nun der Lärm eines Motorrades mit defektem Auspuff, gefolgt
vom Quietschen von bremsenden Reifen mit anschließendem lautstarken
Geschimpfe.
"Ich glaube, W. Johnson ist da.", sagte
Big Bull Dozzer mit fast normaler Stimme. "Ja, das muss W. Johnson
sein.", antwortete Bonanza. Natürlich war es W. Johnson. Dieser war
zwar stumm, sorgte aber ständig für Lärm, einerseits durch seine
Ungeschicklichkeit, die ihn ständig über etwas stolpern oder etwas
umstoßen ließ, andererseits durch sein Motorrad mit dem defekten
Auspuff und auch durch seine Fahrweise, die das Geschimpfe anderer
Verkehrsteilnehmer provozierte. Außerdem war W. Johnson Taubenzüchter.
Sein größter Zuchterfolg bestand aus einer Taubenrasse, die sich durch
besonders lautes Gegurre auszeichnete. Jedem Besucher von Alimonia
fielen diese lärmenden Tauben auf. Schon seit Jahren kämpfte W. Johnson
dafür, dass seine Tauben als eigene Rasse mit der Bezeichnung "Johnson
Doves" patentiert würden.
Bei seinem Eintreten ins
Pub versetzte ihm eine der Schwingtüren einen Schubs, der ihn mit einem
derart kräftigen Schwung ins Lokal bugsierte, dass er vom ersten Tisch
gleich zwei volle Biergläser wegfegte. Big Bull Dozzer sagte mit seiner
väterlichen Stimme: "W: Johnson, was machst du schon wieder für Sachen!"
Mit
W. Johnson war nun die Band "The Real Rough Ramblers" vollständig, die
des öfteren in Carinthia's Pub auftrat. Das war eine mittelmäßige
Country-Swing Band, die aber wegen der Schrullen der Musiker viel
Publikum anzog, das sich dann auch bestens amüsierte.
Als auf der kleinen Bühne die Instrumente fertig aufgebaut waren, war Carinthia's Pub schon ziemlich gefüllt.
Doch
gerade als das Konzert anfangen sollte, kamen zwei Polizisten ins
Lokal, gingen zielstrebig auf Big Bull Dozzer zu, und der ältere der
Polizisten fragte ihn in förmlichem Ton: "Sind Sie Fred Dozzman aus
Santa Bernica?" Jener bejahte. Darauf sagte der Polizist: "Sie werden
beschuldigt, heute ein Wohnmobil überfallen zu haben. Stimmt das?" Big
Bull Dozzer bat die Polizisten an einem Tisch Platz zu nehmen,
bestellte für jeden ein Bier und sagte mit der diesmal betont
väterlichen Stimme: "Ja, das stimmt. Aber ich bin bereit, den Schaden
wieder gut zu machen." Da er sich geständig und einsichtig zeigte,
wurde er auf freiem Fuß angezeigt, womit das Konzert gerettet war.
Bonanza
schnallte sich die Gitarre um, Big Bull Dozzer griff zum Kontrabass und
der stumme W. Johnson setzte sich hinter das Schlagzeug.
Und dann geschah das Wunder: Anstatt, wie üblich, den Takt mit den Schlagzeugschlägeln vorzugeben, sagte W. Johnson plötzlich: "A one, a two, a one - two - three - four ..."
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(Aus dem Zyklus: Tauben in der Welt der boshaften Physik) 15.11.1993
Am
11.11. um 11 Uhr 11 beginnt der Fasching. Die Stadt Linz wird dieser
Tatsache durch eine besonders originelle Zeremonie gerecht: Die
Straßenbahnen bleiben um genau elfuhrelf stehen und klingeln den
Fasching ein. Diese schöne Tradition lässt sich bis ins Jahr 1981
zurück verfolgen.
Entgegen aller Tradition war das
Wetter am 11.11. des Jahres 1986 wunderschön: Die Sonne wärmte die
Straßen, als wäre gerade Spätsommer oder zumindest Frühherbst. Unter
klarem blauen Himmel und bei spätsommerlich warmer Temperatur blieben
also am 11.11.1986 um 11 Uhr 11 die Straßenbahnen, wie gewohnt stehen,
um den Fasching einzuläuten.
Nicht nur die
Verkehrsbetriebe feiern den Beginn des Faschings, auch das
Fremdenverkehrsamt. Dieses kürt jedes Jahr ein Faschingsprinzenpaar.
Nur die schönsten Vertreter der Ortsjugend haben Chance, den begehrten
Titel zu erwerben. Im Jahr 1986 waren ein besonders schmucker Prinz und
eine Prinzessin von geradezu überirdischer Schönheit zur Regentschaft
gewählt worden. Beide lächelten ungequält in die Kameras, die den
Faschingsbeginn für das "Österreich Bild” aufzeichneten, als die
Straßenbahnen anhielten, um zu bimmeln.
Die schöne
Festlichkeit wurde allerdings durch eine Tragödie getrübt. Das
Fremdenverkehrsamt wollte nämlich zur selben Zeit, als die
Straßenbahnen zu bimmeln anfingen, einen Schwarm Tauben auffliegen
lassen. Zu diesem Zweck waren über fünfzig Tauben in eine große
Schachtel gesteckt worden, die ein Magistratsangestellter auf ein
Zeichen des Fremdenverkehrsobmannstellvertreters hin öffnete.
Allerdings kamen nur einige wenige Tauben aus der Schachtel geflogen,
und deren Flugfiguren ließen auf einen stark angeschlagenen
Gesundheitszustand schließen. Die meisten Tauben aber waren in der
Schachtel verendet. Man hatte auf Luftlöcher vergessen. Diese traurige
Szene war zwar im "Österreich Bild" nicht zu sehen, aber die zum Zwecke
des Zujubelns herbestellte Öffentlichkeit konnte den Vorgang
beobachten. Der Zujubel fiel dementsprechend dürftig aus und wurde von
bösen Buh-Rufen und lauten Drohungen übertönt. Die ORF-Techniker
mussten viel Arbeit aufwenden, um den Originalton durch eine
Jubelgeräuschkulisse aus dem Archiv zu ersetzen und mit der zum Glück
über ein eigenes Mikrophon aufgenommen Ansprache des
Fremdenverkehrsobmannes abzumischen.
Genau zur selben
Zeit bebte in Linz die Erde. Gerade stark genug, dass es die
seismologischen Anstalten verzeichnen konnten, aber zu schwach, als
dass es ein Mensch mit Sicherheit als Erdbeben einschätzen hätte
können. Ganz sicher nicht registrieren konnte es Josef Mathamer, der
auf seine Art den Fasching begrüßt hatte und nun nach einer Flasche
Wein auch ohne Erdbeben wankte. Er befand sich am Pöstlingberg und
sollte bald der einzige Zeuge eines historischen Ereignisses werden.
Ebenfalls
im selben Moment wurde in einer geschmackvoll eingerichteten Linzer
Bürgerwohnung im Beisein einer routinierten Hebamme ein Kind zur Welt
gebracht, das seinen Eltern noch viel Freude bereiten sollte.
Von
all dem ahnte Inspector Gamble im fernen nasskalten London nichts. Um
11 Uhr 11 mitteleuropäischer Zeit zog er gerade nachdenklich an seiner
Pfeife. Sie war das einzige, das ihn mit seinem großen Vorbild Sherlock
Holmes verband. Ansonsten waren keine weiteren Ähnlichkeiten mit dem
berühmten Detektiv feststellbar. Auch war die Arbeit von Inspector
Gamble nicht gerade von Erfolg gekrönt. Doch die Wende in seinem Leben
war mit dem Klingeln der Straßenbahnen von Linz bereits eingeläutet,
wenngleich er davon noch nichts ahnen konnte.
Denn
all die geschilderten Ereignisse des 11.11.1986 sollten sich in naher
Zukunft zu einer Konstellation zusammenballen, die mit Recht und Fug
als erstaunlich eingestuft werden darf.
Damit aber
alle Fäden, die das Schicksal zu einem Ganzen zusammen weben sollte,
vorgestellt werden können, müssen wir noch einen Abstecher in eine
ferne Galaxie machen.
Zeit ist nicht nur einen stumme
Harfe, wie uns Anastasius Grün versichert, sondern auch relativ, wie
man seit einiger Zeit weiß. Und damit ist auch der Begriff der
Gleichzeitigkeit relativ, vor allem wenn zwei Ereignisse sehr weit von
einander entfernt statt finden. Auf dem fernen Stern Karina, von dem
uns Hans Flesch-Brunningen berichtet, gibt es weder November, noch
Fasching, noch Straßenbahnen, die stehen bleiben, um letzteren
einzuläuten. Und dennoch: Gäbe es so etwas wie eine intergalaktische
absolute Zeit, dann wäre es just in dem Augenblick, in dem man auf der
Erde den 11. November 1986 schrieb und in Linz die Straßenbahnen stehen
blieben, um den Fasching herbeizuklingeln, gewesen als Grstlk-k
Mnwhfstnkl (zu Irdisch etwa Detective O´Brian, die Transkription hinkt
natürlich der karinischen Überregionalsprache nach!) einen heiklen
Auftrag bekam. Dieser Auftrag bestand darin, eine neu entwickelte
Düsenrakete zu testen. Zu diesem Zweck sollte Grstlk-k Mnwhfstnkl vor
versammelter Prominenz zunächst einige tollkühne Flugfiguren vollführen
und danach zu einem der vielen Karina-Monde fliegen. Bei einer
bestimmten Mondbasis sollte er dann landen und der Belegschaft Grüße
von der Kommandantur übermitteln. Bei der Gelegenheit könnte er dann
auch gleich die Schmutzwäsche mitnehmen, stand in seinem Marschbefehl.
Nicht im Marschbefehl stand die Bitte seines Chefs, dessem Sohn, der
auf der Mondbasis seinen Präsenzdienst versah, etwas Taschengeld
zuzustecken.
Die ersten Aufgaben absolvierte Grstlk-k
Mnwhfstnkl programmgemäß, aber plötzlich war die Düsenrakete von den
karinischen Monitoren verschwunden. Grstlk-k Mnwhfstnkl war mit seinem
Raumschiff in eine physikalische Erscheinung geraten, die zu
kompliziert ist, um hier beschrieben werden zu können. Und der Monitor
seines Bordempfängers zeigte auf einmal nicht mehr das väterliche
Gesicht seines Chefs sondern zwei Personen auf einem seltsamen Gefährt,
die oberösterreichische Fernsehkonsumenten sofort als das aktuelle
Faschingsprinzenpaar identifizieren hätten können. Kurzum: Grstlk-k
Mnwhfstnkl empfing gerade die Sendung Österreichbild, in der der
bereits geschilderte Linzer Faschingsbeginn gezeigt wurde. Dass auch
die anderen Bordinstrumente keine für Grstlk-k Mnwhfstnkl sinnvollen
Daten lieferten, kann angenommen werden. Grstlk-k Mnwhfstnkl aktivierte
die für derartige Notfälle installierte "Lande Irgendwo"-Funktion
seines Raumschiffes, was bewirkte, dass seine Rakete auf dem Linzer
Pöstlingberg landete.
Zur gleichen Zeit liefen in
Groß Britannien die Telefone heiß: Mitten in einer Übertragung einer
Fernsehansprache der Queen war für die Zuseher zunächst kurz das
väterliche Gesicht von Grstlk-k Mnwhfstnkl's Chef auf den Bildschirmen
aufgetaucht und danach Österreichbild mit dem Linzer Fasching. Die
Engländer konnten ja nicht wissen, dass die Störung von der
physikalischen Erscheinung ausgelöst worden war, die Grstlk-k
Mnwhfstnkl's Raumschiff auf die Erde verschlagen hatte. Jedenfalls war
die Empörung groß, als auf den Fernsehgeräten ein eindeutig
nichtbritisches und auch sonst nicht sehr royal wirkendes Regentenpaar
auftauchte.
Der österreichische Botschafter, der die
Sendung identifizieren hätte können, befand sich gerade auf einer
Belgien-Reise, wo er mit weiteren österreichischen Botschaftern an
einem Symposium zum Thema "Umwelt - Ernährung - Beziehungsprobleme"
teilnahm. Für dieses Symposium wurde eine Live-Konferenzschaltung nach
Linz installiert, auf dass ein renommierter Linzer Bio-Forscher
mitdiskutieren konnte. Dieser verschwand allerdings plötzlich vom
Bildschirm, statt dessen wurden Bilder von karinischen Beamten
übertragen, die verzweifelt an für Erdenbewohner unbekannten Geräten
hantierten. Sie versuchten, die Verbindung mit dem Raumschiff von
Grstlk-k Mnwhfstnkl wieder herzustellen, empfingen aber nur Funkbilder
einer Person mit einer komischen Kopfbedeckung, die in einer für
Karinier unbekannten Sprache redete, die die Engländer wiederum als
ihre Queen identifizieren hätten können.
Alle bisher
geschilderten Ereignisse waren noch relativ unkompliziert, im Vergleich
zu dem, was noch kommen sollte. Allerdings war die sich nun
einstellende Kompliziertheit dermaßen kompliziert, dass sie die
Sprachkompetenz des Berichterstatters überfordert, weshalb auch auf
eine weitere Schilderung verzichtet werden soll.
Zehn Jahre später:
Das Telefon am Schreibtisch von Inspector Gamble läutete. Inspector Gamble hob ab, aber noch bevor er etwas sagen konnte, rief eine Strimme: "Miss Peel, wir werden gebraucht!" Inspector Gamble sagte: "Miss Peel hat die Durchwahl 93, hier ist 39!" Die Stimme sagte: "Scheiße!" und legte auf. Inspector Gamble dachte, der Mann hat recht. Seine Pfeife war schon wieder ausgegangen. Kurz überlegte Inspector Gamble, ob er sie wieder anzünden sollte, aber dann legte er sie weg und holte sich eine Zigarette aus der Schublade. Wieder läutete das Telefon. Inspector Gamble seufzte und hob ab und sagte: "Klappe 39!" "Gamble, sind Sie das?" fragte eine Frauenstimme. "Bereiten Sie sich auf eine Dienstreise vor. Auftrag von Headley!"
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(Eine wahre Begebenheit)
Sie
war auf die Terrasse hinausgegangen, da sah sie einen großen weißen
Hubschrauber näher kommen. Der Hubschrauber blieb direkt über dem
Garten hängen. Eine Gestalt sprang aus dem großen weißen Hubschrauber,
ein blütenweißer Fallschirm öffnete sich und ein Mann landete im
Garten. Er trug einen makellos weißen Smoking, weiße Lackschuhe und
einen weißen Zylinder.
Der Mann ging auf sie zu, nahm
sie in die Arme und küsste sie dermaßen stürmisch und leidenschaftlich,
dass sie vor Wonne in Ohnmacht fiel. Als sie wieder zu sich kam, sah
sie noch hoch über ihr den großen weißen Hubschrauber in einer großen
weißen Wolke verschwinden.
Und wer war der Mann? Dan Tistmiller.
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Seit
der Lektüre von Tom Robbins' "Buntspecht" weiß ich, dass ich nicht der
einzige bin, der nach dem Lieblingsbeatle fragt, um die Psyche seines
Gegenübers zu ergründen.
Also mein Lieblingsbeatle
ist Ringo Starr. Ringo Starr ist der verkannte Beatle: Er könne nicht
singen und nicht komponieren heißt es. Nur auf's Schlagzeug hauen könne
er. Und nicht einmal das könne er besonders gut. Was alles wäre aus den
Beatles geworden – heißt es – wenn Phil Collins Schlagzeug gespielt
hätte.
Und trotzdem: Mein Lieblingsbeatle ist und
bleibt Ringo Starr. Der frohgemute Außenseiter mit den depressiven
Anwandlungen. (So will es die Legende!)
Meine erste
Begegnung mit Ringo Starr: Während meiner Volksschulzeit bekam ich 50
Groschen Taschengeld pro Woche. Von meiner Großmutter. Ich habe ihr
erklären können, wie wichtig es sei, die Abziehbilder zu kaufen, die es
in Zweierpackungen in der Bäckerei Jordan zu kaufen gab. So eine
Zweierpackung kostete einen Schilling. Daher genügten 50 Groschen pro
Woche – befand meine Großmutter – und damit käme ich auf ein Abziehbild
pro Woche. Das Argument, dass alle meine Schulkameraden zehnmal so viel
Taschengeld bekamen, nutzte nichts. Ich konnte mir jede zweite Woche
eine Zweierpackung Abziehbilder kaufen.
Die
Abziehbildserien wechselten. Meine Lieblingsserie war die mit den
Schifahrern. Der Star der Saison war Toni Sailer. Mein
Lieblingsschifahrer allerdings war Harald Rofner, oder so ähnlich heißt
er. Ich hatte ihn nie bei einem Schirennen gesehen (im Fernsehen
versteht sich – Stichwort Eurovision: Ta taaa tata ta ta taaa ta, ta
taa tata tatata tatata ta taa ta ... ). Schifahrübertragungen habe ich
schon damals nicht wirklich gemocht, im Laufe meines Lebens lernte ich
sie noch zu hassen. Doch davon später.
Oder jetzt gleich: Im BORG Perg war ich wahrscheinlich der einzige Mensch, den Sport nicht nur nicht interessierte, sondern, der ihn sogar verabscheute. Besonders langweilig fand ich Schirennen oder Fußballübertragungen. Wenn nun ein "wichtiges" Schirennen stattfand, dann durften wir es während des Unterrichts im Festsaal anschauen, vorausgesetzt wir waren brav. Zum Bravsein gehörte auch, dass man wirklich das Schifahren betrachtete, nicht aber z. B. etwas las. Sonst hieß es: Bedankt's Euch beim Mottas, dass Ihr jetzt wieder zurück zum Unterricht müsst. ("Bedankt's Euch beim Mottas" – wie oft hatte ich das gehört. Zum Glück waren nicht alle KollegInnen dankbar.)
Ich
erinnere mich an den ersten Schikurs im Rahmen des BORG Perg. Die
Schikurse, die ich als Schüler des BRG Steyr besucht hatte, hatten mir
viel Spaß gemacht, aber der mit den Perger Mitschülern, war die Hölle.
Ich kannte den Terminus "Mobbing" noch nicht, aber bei dem Schikurs
hatten sich fast alle gegen mich verschworen, und spielten mir viele
böse Streiche. Der einzige, der mich freundlich behandelte, war der
Werner Gruber. Bei der Heimfahrt von diesem Schikurs legten wir eine
Pause in einem Wirtshaus ein, um ein "wichtiges" Schirennen zu sehen.
Bei diesem Rennen gewann ein Österreicher (Karl Schranz? Franz
Klammer?). In ihrer Begeisterung begannen alle MitschülerInnen und
LehrerInnen zu toben und zu brüllen und zu tanzen, nur ich blieb sitzen
und bekam es mit der Angst zu tun.
Also mein
Lieblingsbeatle, Ringo Starr. Eine der Abziehbildserien bestand aus
Karikaturen; ich habe die meisten nicht verstanden. Mittlerweile hatten
sich auch die Preise für die Abziehbilder verdoppelt: die Packung
kostete immer noch einen Schilling, aber es war nur noch ein Abziehbild
drin. Was leider trotzdem zu keiner Taschengelderhöhung führte.
Es
war an einem Samstag. Ich hatte einen Schilling zusammengespart und mir
eine Packung Abziehbild (jawohl: Abziehbild, es war ja nur eins in der
Packung) gekauft. Und Sie können sich nun schon denken, von wem da eine
Karikatur auf dem Abziehbild war. (Denjenigen, die nun Harald Rofner
gesagt haben: Nichtgenügend! Setzen! Denjenigen, die Ringo Starr gesagt
haben: Ein Plus für Mitarbeit.) Unter einem gezeichneten Kopf stand
"Ringo Starr". Das Problem dabei war, dass ich nicht wusste, wer z.T.
Ringo Starr war. Ein Schulkamerad (Emil Pum), der wirklich viele
Abziehbilder hatte, die er mir auf dem Heimweg von der Schule jedes
einzelne ausführlich erklärte, was mir sehr imponierte, der erklärte
mir, was es mit Ringo Starr für eine Bewandtnis habe: Die Zeichnung,
die Karikatur (ein Wort, das ich damals noch nicht kannte) stelle
niemand anderen als Hans Orsolic dar. Hans Orsolic, den berühmten
österreichischen Boxer. Und da Boxkämpfe in einem Ring statt fänden und
da Hans Orsolic ein Star war (das Wort "Star" kannte ich schon), könne
es sich bei der Zeichnung nur um Hans Orsolic handeln. Als ich dann
beim samstäglichen Mittagstisch meiner Mutter das Abziehbild mit dem
vermeintlichen Hans Orsolic zeigte, meinte sie, das sei doch ein Bild
von Ringo Starr. Sicher, habe ich wohl geantwortet, Ringo Starr sei
aber niemand anderer als Hans Orsolic. Und ich habe meiner Mutter
erklärt, warum es sich um Hans Orsolic handeln musste. Meine Mutter
erklärte, dass Ringo Starr ein Beatle war. (Es war einer der Tage, an
denen mein Weltbild ins Wanken geriet. Und ein bisschen wackelt es noch
immer. Ich gleiche das mit Bier aus: Die Welt wankt, ich wanke, und so
scheint es, als würde ich unbewegt gerade stehen, meint Terry
Pratchett.)
Was ist ein Beatle, habe ich einmal meine
Großmutter gefragt. Ein Beatle ist jemand, der nichts tut als
herumzuschreien und der dafür ganz viel Geld bekommt. Ich habe die
Missbilligung in der Stimme meiner Großmutter gehört und gesagt: Ich
werde nie ein Beatle werden. Insgeheim habe ich mir gedacht: Ein
bisschen herumschreien und dafür viel Geld bekommen, das klingt doch
nicht schlecht, vielleicht sollte ich doch ein Beatle werden. Nur wie
sage ich es dann meiner Großmutter.
Einschub:
Etwas ganz anderes: Jetzt habe ich aus Versehen etwas Bier in die
Computertastatur geschüttet. Aber: Nichts ist passiert, nur dass das
"Klack!", das es macht, wenn man eine Taste drückt, um eine Spur lauter
ausfällt, und der erste Andrückwiderstand eine Spur kräftiger ist.
Wo waren wir stehen geblieben? Ah ja, bei den Beatles und bei meinem Lieblingsbeatle: Ringo Starr.
Für
Leute, die damals nicht dabei waren: Ich spreche vom Jahr 1969. Ich war
8 Jahre alt und seeeeeehr naiv. Selbst für mein Alter.
Einmal
habe ich meinen Vater gefragt, was ein Student sei. (Der Anlass war
eine Nachrichtensendung, in der protestierende Studenten zu sehen
waren. Was "protestieren" heißt wusste ich noch nicht, aber dass es
etwas sehr Schlimmes war, das konnte ich mir aus den Reaktionen meiner
Eltern und der Großmutter zusammenreimen. Und wenn die einmal einer
Meinung waren, dann musste es sich um eine unumstößliche Wahrheit
handeln.) Auf die Frage, was ein Student sei, antwortete mein Vater,
das sei jemand, der fürs Herumschreien viel Geld bekomme. Trotz meiner
Naivität ahnte ich, dass ein Student so etwas ähnliches wie ein Beatle
sein musste. Auch hier spürte ich die Missbilligung in der Stimme
meines Vaters und ich sagte, dass ich nie ein Student werden wollte.
Die
Geschichte lehrt uns folgendes: Beatle bin ich nie geworden, wiewohl
ich mir eine E-Gitarre und ein Mikrofon gekauft und ein paar
Liveauftritte absolviert habe. Was ausgerechnet mich, einen der
unmusikalischsten Menschen, die ich kenne, dazu gebracht hat, Gitarre
zu spielen und zu singen, und das noch dazu vor zahlendem Publikum, das
lässt sich nun wahrscheinlich erklären.
Wie gesagt,
Beatle bin ich keiner geworden, aber Student. Und die Zeit als Student
war die schönste Zeit in meinem Leben, und sollte ich jemals wieder
eine so tolle Zeit erleben wie damals, dann will ich zufrieden sein.
Wie
Sie also sehen, hatte ich mit meinem Lieblingsbeatle, Ringo Starr,
schon Bekanntschaft gemacht, als ich noch nicht wusste, was ein Beatle
war, und dass die Beatles außer herumzuschreien auch noch Musik machten.
Einschub:
Die Rolling Stones. Es muss wohl ein paar Jahre später gewesen sein.
Damals wusste ich schon, dass es die Rolling Stones gab, und dass das
so etwas ähnliches wie "Beatles" war. Ich war noch mit Peter Alexander
indoktriniert (auch dieses Wort kannte ich noch nicht). Meine Cousine
Claudia und ich spielten gerade ein Spiel, zu dem gehörte, dass wir
Radio hörten. Während unseres Spiels hörte ich im Radio ein Lied, in
dem "Rolling Stone" vorkam. (Heute kann ich rekonstruieren, dass es
sich um "Cover Of The Rolling Stone" von "Dr. Hook & The Medicine
Show" gehandelt haben muss). "Jetzt hören Sie sich das an, Gnä Frau!"
sagte ich im Spiel zu meiner Cousine, "das sind die Rolling Stones. Ich
weiß nicht, warum die so berühmt sind." Aber um ehrlich zu sein: Ich
dachte mir insgeheim, dass das eine unglaublich tolle Musik sei. Ich
war noch immer indoktriniert, wusste noch immer nicht was das heißt,
und mein Weltbild schwankte noch immer.
Zurück zu den
Beatles: Ich habe mehrere Cousinen. Eine Cousine zweiten oder dritten
Grades ist die Angelika. Ein Kapitel für sich. Die Angelika ist die
Tochter von Onkel Ewald. Auch ein Kapitel für sich. Einmal waren wir in
Singen (so heißt der Ort: Singen am Hohentwiel, oder so ähnlich) bei
den Heims (Onkel Ewald, Tante Lise, die Lentschi, die Angelika und die
Oma von der Angelika). Wir, das heißt: meine Eltern, mein Bruder (auch
ein Kapitel für sich) und ich (erst recht ein Kapitel für mich). Meine
Cousine zweiten oder dritten Grades, ein paar ihrer Freundinnen und ich
schauten uns irgend einen Schas im Fernsehen an. Im Film war ein
Schwarzer zu sehen. Eine der Freundinnen meiner Cousine (etc.), eine
ziemliche – wie sagt man? – Zimtzicke – sagte voller Abscheu: "Iiiih,
ein Schwaaaarzer!" Seit damals kann ich Rassisten nicht ausstehen.
(Noch so ein Wort, das ich damals nicht kannte. Jedenfalls erklärte ich
damals: Sollte ich jemals heiraten, dann nur eine Schwarze!") ("Iiiiih!")).
Einschub:
Der Terminus "Schwarze": In den Siebzigerjahren war der Ausdruck
"Neger" gebräuchlich, und ich dachte nichts böses dabei und meinte es
auch nie abwertend. (Wenn ich zum Beispiel über Fats Domino oder Chuck
Berry sprach). Mittlerweile ist bekannt, dass dieser Terminus als
Beleidigung empfunden wird. Als Alternative bieten sich an:
Afroamerikaner, Schwarzafrikaner, Schwarze, Farbige etc.
Den
Terminus "Farbige" lehne ich ab, denn er impliziert, dass die
"Farbigen" eine von der Norm abweichende Hautfarbe hätten. Deshalb
schlage ich vor: "Schwarze" für Leute dunkler Hautfarbe und "Weiße" für
Leute heller Hautfarbe. So wie die Hautfarbe von "Schwarzen" nicht
wirklich schwarz ist, ist die Hautfarbe von "Weißen" nicht wirklich
weiß. Schwarz und Weiß sind Annäherungen an Hautfarben
unterschiedlicher Pigmentierung. Auch die Termini "Afroamerikaner",
"Schwarzafrikaner" etc. lehne ich ab. Da müsste man dann auch Termini
wie "Weißeuropäer" oder "Euroamerikaner" oder "Asioeuropäer" verwenden.
Wie würde man einen aus Südafrika stammenden Weißen nennen, der in die
USA ausgewandert ist. Auch Afroamerikaner? Vor allem aber ist immer
Vorsicht am Platz, wenn für eine Kategorie von Leuten Euphemismen zur
Bezeichnung gesucht werden.
Warum ist es überhaupt
wichtig, die Hautfarbe von Leuten zu benennen? werden Sie fragen: Nun,
was mich anbelangt: Ich bin leidenschaftlicher Blues, Rhythm &
Blues und Rock'n'Roll Fan. Und die Geschichte dieser Musik ist mit der
Geschichte des Rassismus in den USA untrennbar verbunden. Und um diese
Musik zu verstehen und um über sie sprechen zu können, ist es wichtig
die Hautfarbe der MusikerInnen und des Publikums zu benennen.
Wichtig
ist der Kontext: Welche Bezeichnung für welche Hautfarbe verwendet wird
ist nicht so wichtig wie der Kontext, in den diese Bezeichnungen
eingebettet werden: Es gibt alte Bücher, in denen der Terminus "Neger"
gebraucht wird, ohne dass damit Rassismus verbunden ist, und es gibt
aktuelle Zeitungsberichte und Aussagen von PolitikerInnen, in denen von
"Schwarzafrikanern" gesprochen wird, und die trotz des politisch
korrekten Terminus primitivsten Rassismus versprühen.
Und
noch was: Es gibt ÖsterreicherInnen, die Ohrenschmerzen bekommen, wenn
sie "Sahne", "Tomaten" oder "Kartoffel" hören, weil wir sind hier in
Österreich, und da heißt es "Rahm", "Paradeiser" und "Erdäpfel". Wenn
solche Leute mit Inbrunst auf die "richtigen" Ausdrücke bestehen, dann
mahne ich bei ihnen auch korrekte Ausdrücke bei der Bezeichnung von
Hautfarben ein, bei der Bezeichnung von Volksgruppen und
geschlechtsneutrale Bezeichnungen ebenso.
Ich könnte dieses Thema noch breiter klopfen, aber Sie sehen eh schon, worauf ich hinaus will.
Also:
Ein paar Jahre später besuchte uns die Angelika. Sie war damals so an
die 15, ich war an die 12. Und das war so etwa im Jahr 1973. Das
Lieblingslied der Angelika war "Little Willie" von den Sweet, was dazu
führte, dass sie sich das Lied, das sie auf einer Kassette aufgenommen
hatte, täglich tausende und abertausende Mal anhörte. Noch heute, so an
die 27 Jahre sind inzwischen vergangen, höre ich noch immer: "Little
Willie Willie womm, ( break! ) go home." Die Geschichte mit der
Angelika und unserem Nachbarn, dem Roth Willi, das ist wieder eine
Geschichte für sich. (Der Roth Willi an sich ist selbst ohne Angelika
eine Geschichte für sich). Jedenfalls, für mich – immer noch
indoktrinierter Peter Alexander Fan – für meine Eltern, und auch für
meinen Bruder (obwohl noch zu klein und zu dumm, so dachte ich damals)
war der Musikgeschmack von Angelika nicht nachvollziehbar.
Ein
paar Tage, nachdem Angelika nach Hause gefahren war, gab es im
Fernsehen einen Beatles Film. (Ich dachte damals, es gebe zwei
Kategorien von Leuten: Die einen mögen deutschsprachige, die anderen
englischsprachige Musik. Und diejenigen, die englischsprachige Musik
mochten, die mochten alles englischsprachige. Ich dachte damals, dass
das Mögen von englischsprachiger Musik nichts anderes sei, als eine Art
Protest. (Das Wort "Protest" kannte ich natürlich auch nicht, leider
weiß ich nicht mehr, mit welchen Wprten ich das alles dachte.)
Jedenfalls
gab es im Fernsehen "Help!" von den Beatles, zu Deutsch "Hi-Hi-Hilfe!"
Und ich sagte zu meinen Eltern, schade dass die Angelika nicht mehr da
ist, die würde sich freuen. (Logischerweise ging ich davon aus, dass
wer The Sweet (den Namen kannte ich damals genausowenig) mochte,
zwangsweise auch die Beatles (Viel Geld für nichts als Schreien
bekommen) mögen würde.)
Was mich dann dazu bewog, den
Beatles Film anzuschauen, das kann ich heute nicht mehr sagen. Aber
wenn ich versuche mich zu erinnern (bitte bedenken Sie: ich trinke hier
und jetzt gerade mein viertes Bier, und ich fürchte, ich werde noch
Durst auf ein fünftes bekommen), wenn ich also versuche, mich zu
erinnern, dann glaube ich, dass meine Mutter (die damals fünf Jahre
jünger war, als ich es heute bin, das muss auch einmal bedacht werden),
dass meine Mutter gesagt hat, dass die Beatles immer lustige und
komische Filme gemacht haben. Jedenfalls klang es nicht nach "Viel Geld
für Herumschreien!"
Wie dem auch sei: Ich habe mir
den Film "Help!" bzw. "Hi-Hi-Hilfe!" angeschaut, und seither steht kein
Stein mehr auf dem anderen. Und das gilt auch für die Rolling Stones.
Einschub: Ein paar Jahre später. Es war zu einer Zeit, da ich schon wusste, wer die Rolling Stones und wer die Beatles waren. Mein Lieblingsmusiker war Alvin Stardust und meine Lieblingsmusik war Rock'n'Roll.
Es ist soweit: Zeit für das fünfte Bier, bitte verzeihen Sie mir, aber die Erinnerungen, die Erinnerungen ...
Also,
meine Lieblingsmusik war Rock'n'Roll. Und können Sie sich etwas
traurigeres vorstellen?: Im Fernsehen kommt eine Sendung, ein
Mitschnitt eines Livekonzerts von – sage und schreibe – Bill Haley,
Little Richard, Jerry Lee Lewis, Chuck Berry, Bo Diddley, MC5 und was
weiß ich wem noch ... Im Fernsehen kommt also DAS KONZERT schlechthin,
und meine Eltern haben das Wohnzimmer, in dem der Fernseher steht, zum
Schlafzimmer erkoren. Stellen Sie sich das bitte vor: Sie sind in den
besten Teenagerjahren, da kommt im Fernsehen DER ABSOLUTE MUSS FILM,
und Ihre Eltern haben den Raum mit Fernseher zum Schlafzimmer erklärt,
und die einzige Möglichkeit, den Livemitschnitt des Konzerts von Bill
Haley, Little Richard, Jerry Lee Lewis, Chuck Berry, Bo Diddley und was
weiß ich wem noch ... zu sehen, das ist ein Stockwerk höher, bei der
Großmutter. Bei der Großmutter, die zwar einerseits (sie schläft auch
in dem Zimmer, in dem ihr Fernseher steht) ihrem Enkel zuliebe länger
aufbleibt, die sich ihrem Enkel zuliebe, ihrem Enkel, der noch vor
wenigen Jahren versprochen hatte, kein Beatle zu werden, ein Konzert
von Bill Haley, Little Richard, Jerry Lee Lewis, Chuck Berry, Bo
Diddley und was weiß ich wem noch ...anschaut. Die aber andererseits
keine Sekunde verstreichen lässt, ihre Abscheu vor dieser Unmusik zum
Ausdruck zu bringen.
Stellen Sie sich bitte vor: Sie
sind ein Chuck Berry Fan. Chuck Berry tanzt den Duckwalk und geigt auf
seiner Gitarre eines der berühmten Chuck Berry Solos, und mitten drin
fragt Sie Ihre Großmutter (der der Fernseher gehört, auf dem Sie das
alles sehen): "Und sowas gefällt Dir?" Ist das nicht traurig.?
Meine
Cousine Angelika wurde von ihrem Vater grün und blau gedroschen, und
meine einzige Möglichkeit, Bill Haley, Little Richard, Jerry Lee Lewis,
Chuck Berry, Bo Diddley und was weiß ich wen noch ...zu sehen, war bei
meiner Großmutter, die diese wilde Musik ganz und gar nicht schätzte,
ganz leise ... ich vergaß zu erzählen: eine der Bedingungen, dass ich
mir das Konzert überhaupt anschauen durfte, war eine seeeeeeehr
reduzierte Lautstärke. Ich glaube, dass mir meine Großmutter nur
deshalb erlaubte, dieses Konzert anzuschauen, weil sie dachte, sie
könne mir – anhand des Anschauungsmaterials – die Begeisterung für
diese Art von Musik austreiben. Stellen Sie sich bitte vor: Sie sehen
einen Konzertmitschnitt Ihrer Lieblingsband, und neben Ihnen sitzt Ihre
Großmutter und gibt alle paar Minuten einen Kommentar ab, der ihrem
Missfallen Ausdruck verleiht, und Sie können nichts machen, denn es ist
der Fernseher Ihrer Großmutter. Und stellen Sie sich vor: Nach der
Sendung wird der zweite Teil des Konzerts angekündigt, und Sie müssen
Ihre Großmutter dazu bringen, dass Sie sich den auch anschauen dürfen.
Und Ihre Großmutter, die während des ganzen ersten Teils versucht
hatte, kulturpädagogisch auf Sie einzuwirken, erlaubt Ihnen, auch den
zweiten Teil anzuschauen – absolute Missbilligung vorausgesetzt. Und in
der Stimme schwingt die Enttäuschung mit, dass all die
kulturpädagogischen Einwirkungen vergebens waren. Nicht aber die
Einsicht, dass Sie schön langsam in ein Alter kommen, in dem Sie Ihren
Musikgeschmack selbst dings.
Ach seien Sie mir nicht
böse: Ich hole mir noch ein Bier. Zuviele Erinnerungen quellen hervor,
wie Regenwürmer nach einem Sommergewitter.
Es war in
der vierten Klasse Unterstufe, BRG Steyr: Letzte Religionsstunde im
Jahr: Unser Lehrer, Klingelmayr, veranstaltete einen Quiz, wobei sich
jeweils eine Gruppe von vier Leuten eine Frage ausdenken sollte. Die
meisten zogen einen Taschenkalender hervor. Im hinteren Teil waren
Tabellen mit Maßen und Gewichten, Verkehrszeichen, Zeichen der
chemischen Elemente und andere lebenswichtige Informationen. Aus diesem
Infopool wurden dann die meisten Fragen erarbeitet. Ich schlug meiner
Gruppe vor zu fragen: "Wer ist George Harrison?" (Gott hab ihn selig!)
George Harrison deshalb, weil ich dachte, die anderen drei Beatles
seien zu bekannt.
Wir stellten also die Frage: "Wer
ist George Harrison?" Und es war der Zeschner (Heinz? Karl? Karlheinz?
KHZ?), der antwortete: "Ein Gitarrist bei den Beatles." Ich wusste
damals nur, dass George Harrison ein Mitglied der Beatles war. Welches
Instrument er spielte, wusste ich nicht.
Mein erster Beatles-Tonträger:
Olaf
Krämer, auch ein Kapitel für sich, war einer meiner Mitschüler in
Steyr. Er hatte das rote Album der Beatles und erklärte sich bereit, es
für mich aufzunehmen. Ich überreichte ihm an einem Samstag eine
Kassette und er überspielte mir die Beatles. Als er mir am Montag die
bespielte Kassette brachte wollte er für das Überspielen 10 Schilling.
Ich weigerte mich zu zahlen, da das nicht ausgemacht war. (Damals
betrug mein monatliches Taschengeld 20 Schilling.) Es kam fast zu einem
Zerwürfnis. Olaf sagte mir, dass er die Kassette mit einem Mikrofon
aufnehmen hat müssen. Deshalb hatte er seine Familie aus dem Wohnzimmer
vertreiben müssen, und er hätte einen Haufen Scherereien wegen der
Aufnahme gehabt.
Ein paar Tage später hat er aus
Versehen bei einem meiner Modellsegelflieger einen Riss in der
Bespannung verursacht, und wir vereinbarten, dass er das Flugzeug nicht
herrichten müsse, und ich bräuchte nichts für die Beatles Kassette
bezahlen.
Die Kassette habe ich heute -
tausende Jahre danach - immer noch. Ich sollte sie mir einmal anhorchen
und schauen, ob da noch was zu hören ist.
Viel
später, als ich schon ins BORG Perg ging und manchmal ziemlich
unglücklich war, fuhr ich übers Wochenende oft zum Olaf nach Steinbach
an der Steyr. Das war mein Refugium. Bei Olaf und seinen Freunden wurde
nie über Fußball oder Schifahren diskutiert, sondern über Musik. Er
spielte in einer Band, seine Schwestern und fast alle seiner
FreundInnen spielten ein Instrument oder sangen mit Begeisterung.
Die
Eltern von Olaf waren ausgesprochen gastfreundlich. Und ganz egal, wie
viele Leute Olaf mitbrachte, immer wurden wir üppig bewirtet.
Einmal war im Garten eine Party. Die Band von Olaf – "Calypso" – spielte, und seine Eltern grillten Berge von Koteletts.
Zu
später Stunde rief die Polizei an, weil jemand wegen Lärmbelästigung
Anzeige erstattet hatte. Olafs Vater sagte: "Die erste Strafe übernehme
ich. Die zweite müsst ihr selbst zahlen." Irgendwie musste dann niemand
Strafe zahlen, das Ganze löste sich friedlich auf.
Bei
den Frühstücks war es immer das selbe: Die Mutter tischte Tee, Kaffee,
Toast, Butter, Schinken, Eier und was weis ich noch alles auf. Mir aber
war vom vielen Alkohol so schlecht, dass ich nur eine Tasse Kamillentee
hinunter brachte.
Einmal musste ich mitten in der
Nacht aufs Klo und fand nirgends Klopapier. Ich weiß nicht wen ich
damals aufgeweckt hatte, aber er oder sie sagte mir, dass das Klopapier
im Aquarium liege. (Wohlgemerkt: Es war ein leeres Aquarium. Dieses
Aquarium war nie befüllt worden und diente als Vorratskasterl für das
Klopapier.)
Oft gab es Partys in Waldneukirchen. Olaf
spielte mit seiner Band Calypso, und es gab jede Menge zu Essen und zu
Trinken. Ich habe mich nie gefragt, wer das alles bezahlt hat.
Ich erfand damals den Spruch: "Unser Olaf: Ein Erfolg der Schulmilch!" Kurt Heiligenmann kann sich heute noch daran erinnern.
Und
da war auch noch der Reitmeier Walter. Er war der Kollege von Olaf, als
dieser beim Musikhaus Eisserer eine Verkäuferlehre absolvierte. Der
Reitmeier Walter war vor allem 2 CV-Fan: Als ich ihn kennen lernte, war
er zwar Citroen Diane-Fahrer, und auf unserer Frankreichfahrt hatte er
einen Citroen DS – Sie müssen wissen: Im Jahr 1980 war ich mit einer
Partie Leute in Frankreich – , aber im Grunde seines Herzens und seines
Wesens war Walter 2 CVer: Als er später heiratete und eine Familie
gründete, wurde das gesamte Leben auf 2 CV umgestellt: Hochzeitsreise
in einem 2 CV, Urlaube: 2 CV Treffen, Geschenke an seine Frau: 2 CV
Ohrringe und 2 CV Halsketten, das Kind hatte ein 2 CV Tretauto, die
Stereoanlage: ein aus einem 2 CV ausgebautes Autoradio. Das Prunkstück
schlechthin: Eine auflagenstarke Autozeitschrift, und auf dem Titelbild
Walter Reitmeier im 2 CV bei einer Ralley, wobei er bei er in einer
scharfen Kurve gerade ein Rad verliert.
Einmal machten wir einen Ausflug. Wir, das waren Olaf, Kurt, Walter, noch ein paar Leute und ich. Wir kamen zu einem Parkplatz in einer wunderschönen Gegend: Da war eine Schlucht, unten rauschte die Steyr, die Enns oder sonst ein Gewässer, es regnete leicht und Nebel streifte durch die dichten Nadelwälder. Und Kurt und Walter hatten nichts besseres zu tun, als die Motorhauben ihrer 2 CVs zu öffnen, die Motoren laufen zu lassen und über Autos fachzusimpeln. Doch das ist lange her und längst vergessen und vergeben.
Nachtrag, Februar 2004: Gepriesen sei der Zweitausendeins Versand! Über diesen habe ich ebenjenes Rock'n'Roll Konzert, das ich seinerzeits bei meiner Großmutter anschauen durfte, als DVD zu einem sehr günstigen Preis bezogen. Lang lebe Zweitausendeins!
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"Die
vielen Buttersemmeln, die vielen Buttersemmeln!", klagte
Pfadfinderhäuptling Mayrhofer. "Die vielen guten Buttersemmeln!" Er war
dem Weinen nahe. Pfadfinderhäuptling Mayrhofer stand umringt von einer
Gruppe von Pfadfindern am Ufer und blickte traurig dem Floß nach, das
immer weiter auf den See hinaus trieb. Auf dem Floß befand sich ein
sehr großer geflochtener Korb.
"Die vielen guten Buttersemmeln!" sagte Pfadfinderhäuptling Mayrhofer noch einmal, aber da war nichts mehr zu machen.
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Zuerst
macht es: "FLAPP!", dann "bolopbolopbolopbolop", dann breitet sich im
Raum der Geruch nach Bier aus. Während der Vater trinkt macht er keine
Geräusche, außer dem obligatorischen "Aaah!" nach einem langen
genussvollen Zug. Etwas später wird er dann mehrmals "Mpff!" machen,
wofür er strafende Blick von der Mutter erntet.
Natürlich
hinken die Ausdrücke "FLAPP!", "bolopbolopbolopbolop" und "Mpff!", aber
die Crux der Grapheme besteht darin, dass sie zur schriftlichen
Wiedergabe von Sprache, nicht aber zur Wiedergabe von Geräuschen
entwickelt worden sind. (Die Sprache ihrerseits ist nicht zur
Wiedergabe von Geräuschen entwickelt worden, von einigen
onomatopoetischen Schöpfungen einmal abgesehen, die aber wiederum nur
an Geräusche erinnern, diese aber nicht hervorbringen. Der menschliche
Sprechapparat ist nicht zum Hervorbringen von Geräuschen geeignet. Das
heißt, er ist sogar ausgesprochen gut geeignet, Geräusche
hervorzubringen, und Sprechen deckt nur eine kleine Bandbreite der
Möglichkeiten des menschlichen Sprechapparats ab. Man sollte den
Sprechapparat demnach nicht als Sprechapparat bezeichnen, sondern als
Stimmapparat oder – um Verwechslungen mit einem Stimmgerät
auszuschließen – Geräuschapparat. Wir denken noch einmal an das schon
erwähnte "Mpff!", ein Geräusch, das eben vom menschlichen Stimmapparat
hervorgebracht wird, auch wenn es von es von Graphemen nur in
Annäherung wiedergegeben ist. Man könnte eine Regieanweisung
hinzufügen: z.B. (gutural): "Mpff!")
Selbst für die
Sprache stellen die Grapheme nur eine Notlösung dar, bei vielen
Geräuschen versagen sie vollends. Wenn in einer Donald Duck-Geschichte
das Geräusch von blockierenden Reifen eines abrupt bremsenden Autos mit
"Brems Quiiiietsch!!!" wiedergegeben wird, so weiß jedes Kind, dass es
nicht "Brems Quiiiietsch!!!" macht, wenn ein Auto bremst, und dennoch
weiß jedes Kind, welches Geräusch gemeint ist. Will heißen, wir haben
für Geräusche mehr oder minder zutreffende Morpheme, nicht aber die
dazugehörenden Grapheme.
Deshalb hat sich die Sprache gleich Ausdrücke für Geräusche ausgedacht, die zwar Geräusche bezeichnen, nicht aber wiedergeben.
In
der Volksschule bekamen wir im Religionsunterreicht einmal die Aufgabe,
eine Szene aus der Heiligen Schrift zu zeichnen. Ich wählte die
Steinigung des Heiligen Stefans. Dabei versuchte ich eine tiefe Grube
zu zeichnen, in die der Heilige Stefan geworfen wurde. Man sollte
sehen, wie der Heilige Stefan in die Grube fällt. Die Grube und den
fallenden Heiligen Stefan bekam ich so halbwegs hin. Nun wollte ich
aber zur Steigerung der Dramatik auch das Schreien des Heiligen Stefans
auf das Bild bringen. Und hier begannen die Schwierigkeiten: Ich
stellte mir ein brüllendes Schreien auf der Basis des Vokals A vor. Um
das graphemisch umzusetzen, überlegte ich mehrere Varianten: Zunächst
einmal "Aaaaaaar!". Damit war ich nicht zufrieden. Die zweite Variante
war "Raaaaaa!". Auch das war nicht zufriedenstellend. Vor allem beim
Leiselesen. Als drittes versuchte ich "Rararararararara!" Dies war
überhaupt die ungeeignetste Variante. Ich blieb also bei Variante eins,
zeichnete noch ein paar Leute, die dem fallenden Heiligen Stefan einige
Felsbrocken nachwarfen und bekam auf die Zeichnung eine schlechte Note.
Vergleiche: "Har! Har! (Harhar!)"
(Vielleicht
hätte ich doch besser den von Pfeilen durchbohrten Heiligen Sebastian
zeichnen sollen oder die jungfräuliche Empfängnis Marias oder die Arche
Noah auf hoher See.)
Meine Lieblingsgeschichte der
Bibel war die vom Jakob, der in einen Brunnen geworfen worden war, und
der dann trotzdem seine Sippe gerettet hat. Hätte ich die Szene
gezeichnet, wie Jakob gerade in den Brunnen fällt, wäre ich vor den
selben Problemen gestanden wie bei der Darstellung der Steinigung des
Heilige Stefans.
Vielleicht hätte ich den Jakob zum
Zeitpunkt des Aufschlagens auf der Wasseroberfläche zeichnen sollen,
dann hätte ein "Plumps!" bzw. ein "Platsch!" das Geräusch nicht in
seiner wahren Geräuschhaftigkeit, wohl aber in der der deutschen
Sprache zu Grunde liegenden Konvention über die Wiedergabe von
bestimmten Geräuschen zum Ausdruck gebracht.
Was im
Deutschen mit "Platsch!" wiedergegeben wird, lautet im Englischen
"Splash!", und in anderen Sprachen wird es wohl auch Morpheme für das
Geräusch eines ins Wasser fallenden Etwas geben.
Wir
dürfen nicht verwechseln: Die Bezeichnung eines Geräusches, z.B. "ein
lauter Knall" und die schriftlichsprachliche Wiedergabe des Geräusches
eines Geräusches, z.B. "PENG!".
Ein Kapitel für sich
sind Tierstimmen und ihre sprachliche Wiedergabe. Für handelsübliche
Haustiere gibt es Entsprechungen in der gesamten grammatischen
Bandbreite. Z.B. "Das Muhen" – "muhen" – "Muh!" wird von jeder Deutsch
sprechenden Person einer Kuh zugeordnet, auch wenn vom Tier noch gar
nicht die Rede ist. Obwohl die Sauggeräusche eines Staubsaugers genauso
gut mit "Muh!" wiedergegeben werden könnten. Zumindest mit:
"Muuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuu-uuuuuuuuuh!"
Bei
weniger domestizierten Tierarten begnügt man sich mit grob
beschreibenden Ausdrücken. Ein Löwe brüllt. Auch wenn ein Löwe Ruargh!
macht, so nennt man das trotzdem "Brüllen" und nicht "Ruargen".
Frösche
gehören wohl zu den sympathischsten Tierarten in unserer Gegend. Da ist
es nur recht und billig, dass man ihren Gesängen einen sprachlichen
Ausdruck widmet: Quaken. Obwohl Enten – ebenfalls eine ausgesprochen
sympathische Tierart – ganz anders klingen als Frösche, wird ihr
Geschnatter auch als Quaken bezeichnet.
Nur Sperlinge
– das sind die allersympathischsten Tiere – quaken nicht. Ich mache
jetzt einen Test, ein Experiment: Dieses Schreibprogramm kennzeichnet
falsch geschriebene Wörter sowie Wörter, die es nicht kennt, mit roten
Wellenlinien. Ich schreibe nun den Ausdruck nieder, mit dem ich die
Gesänge der Sperlinge bezeichnen würde, und dann werde ich sehen, wie
weit dies ein anerkannter Ausdruck der deutschen Sprache ist.
Are you ready?
o.k.: Tschilpen!
Keine
rote Wellenlinie: tschilpen ist ein korrekter deutscher Ausdruck. Da
schau ich gleich im Duden nach, was da unter "tschilpen" steht. DUDEN.
Die deutsche Rechtschreibung. Das Standardwerk zu allen Fragen der
Rechtschreibung. 21., völlig neu bearbeitete und erweiterte Auflage.
Lizenzausgabe für Weltbild Verlag GmbH, Augsburg: Augsburg 1999. S.
755: "tschilpen (zwitschern [vom Sperling])".
Ich
hatte nicht wirklich eine unbeschwerte Kindheit, aber das Tschilpen der
Spatzen im Garten bedeutete doch eine gewisse Mindestgeborgenheit. Zum
Tschilpen der Spatzen gesellten sich eine Zeit lang die Gespräche der
Nachbarinnen (Frau Hauser, Frau Rott, Frau Blaha). Da sich diese
Nachbarinnen nicht nur über den Zaun sondern auch über die Straße
unterhalten haben (beachte die Zweideutigkeit!), mussten sie ziemlich
laut sprechen. Als drittes Geräusch kam noch das Gießen dazu: Stellen
Sie es sich so vor: Frau Rott steht im Garten und gießt ihre
Bohnenstauden mit dem Gartenschlauch, da sieht sie im Garten auf der
anderen Straßenseite die Frau Hauser und ruft ihr einen frohen
Morgengruß zu. Es entsteht ein Gespräch über dieses und jenes, und
überall tschilpen die Spatzen und benezizen die Meisen und
tschaktschaken die Amseln, wenn eine Katze durch den Garten läuft. Und
wenn es gut geht, dann habe ich – ein Kind von sagen wir einmal sieben
Jahren – Ferien, und zu Mittag gibt es Zwetschkenknödel. Das waren die
Augenblicke, wo meine Kindheit dann doch noch unbeschwert war.
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Um
der Mottenplage in meiner Küche Herr zu werden, habe ich eine
Mottenfalle aufgestellt. Von einer Pheromonkapsel werden Motteriche mit
Sexuallockstoff angelockt, sie fliegen in die Falle und bleiben dort
kleben und verhungern oder sterben sonst einen Tod, der nicht wirklich
für Motten vorgesehen ist.
Machmal sehe ich einen Motterich, schon ganz nah bei der Falle. Dann sage ich: "Komm her, du kleine Motte, bevor dir das selbe passiert wie mir." Und ich zerdrücke die Motte mit einem Papiertaschentuch, das ich anschließend zum Biomüll werfe.
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Berufsschule für Gastgewerbe in Absam bei Hall in Tirol, anno 1981
Um
sechs Uhr morgens beginnt es in allen Gängen des zur Berufsschule
gehörigen Internats zu klingeln. Spätestens zwei Minuten später steht
der diensthabende Erzieher im Zimmer, und wehe, da liegt noch einer in
seinem Bett!
Eine Stunde Telefondienst am Wochenende ist die geringste Strafe, die er dafür ausfasst.
Die
nächste Dreiviertelstunde gehört der Zimmer- und Körperpflege, vor
allem aber der Zimmerpflege, da wird das Waschbecken auf Hochglanz
gebracht, die Lampe feucht abgewischt, der Boden ausgekehrt...
"ordentlicher Bettenbau" versteht sich von selbst, ebenso wie die
Kastenordnung, also die Hemden schön in einer Flucht. Nachher kommt der
Erzieher kontrollieren, schaut, ob sich hier und dort noch ein
Staubflankerl verirrt hat, sieh mal an, da sind noch ein paar Falten im
Bett, es wird wohl wieder Zeit, am Wochenende "Bettenbau" zu üben,
gleich das ganze Zimmer, das fördert die Kameradschaft. Und nun
Aufstellung, schön ordentlich in Zweierreihen, die Schultasche wird
kontrolliert, denn nun wird der Wohntrakt abgesperrt, bis 17 Uhr kommt
keiner mehr auf sein Zimmer, vergessen wird nichts.
Im
Treppenhaus trifft der Zweierreihenzug auf die Züge der anderen
Stockwerke, und nun geht es in die Klassenzimmer. Vor dem Frühstück
steht noch eine Studierstunde auf dem Programm. Es wird gelernt, nicht
gelesen oder gar zum Fenster hinaus geschaut.
Der
Klingelton lädt zum Frühstück, wieder schön ordentlich in Zweierreihen
geht es zum Speisesaal. Und jeweils in Sechsergruppen anstellen, an
einem Tisch haben sechs Personen Platz, sechs Gedecke sind schon von
den Kellnerlehrlingen vorbereitet, im Körberl befinden sich elf
Semmeln, der langsamste bekommt nur eine, das fördert die Kameradschaft.
Der
Geräuschpegel erreicht die hörbare Grenze, aber der Erzieher braucht
nur bedeutungsvoll den Kopf zu heben, schon wird es still.
Zwischen
Frühstück und der ersten Unterrichtsstunde sind fünfzehn Minuten Zeit,
es geht sich eine Zigarette aus, vor der Haustür ist ein großer
Aschenbecher aus Eternit, aber wehe eine Zigarettenkippe verirrt sich
auf den Waschbeton.
Deutschstunde. Heute lernen wir,
einen korrekten Geschäftsbrief zu schreiben, der Übung halber an die
Eltern. Der Lehrer diktiert: "...Erfahrungsgemäß sind Lehrlinge des
Gastgewerbes an einen geregelten Tagesablauf nicht gewohnt, und daher
kommt es hin und wieder zu Klagen, das Internatsleben sei zu streng.
Die Eltern werden ersucht, eventuelle Klagen sofort dem Direktor
mitzuteilen, er wird sich bemühen, den Klagen nachzugehen..."
Später werden die Briefe an die Eltern geschickt.
Angeblich
hat einmal tatsächlich ein Lehrling gewagt zu klagen, der Direktor ist
wirklich dieser Klage nachgegangen, der Lehrling hatte keine Freude
daran.
Geographiestunde: Ein Freiwilliger soll an der Karte die Grenze Tirols nachfahren. Falsch, setzen, er hat Osttirol vergessen.
Wer schnell ist, der schafft in der Vormittagspause zwei Zigaretten. Vor dem Mittagessen geht sich noch einmal eine aus.
Das
Mittagessen: Von den Kochlehrlingen gekocht, von den Kellnerlehrlingen
serviert, rotierend versteht sich, sonst bliebe niemand zum Essen
übrig. Bier gibt es zum Supermarktpreis, wer schnell ist, schafft zwei,
das macht mitunter den Nachmittag erträglicher.
"Tischgespräch
ist erwünscht, aber nicht zu laut!" Die Lautstärke wird mit dem bereits
bewährten Kopfheben der Erzieher gesteuert.
Zwei
Stunden Pause. Da die Zimmer nicht zugänglich sind, können sich die
Lehrlinge entweder stillschweigend in den Klassenzimmern aufhalten,
oder ruhig in der Halle oder bei Schönwetter auf der Wiese. Dort darf
man normal sprechen.
Im Keller stehen für die ungefähr 300 Lehrlinge sage und schreibe zehn Tischtennistische zur Verfügung.
Die
Lehrlinge dürfen auf der Waschbetonfläche vor der Eingangstür rauchen,
oder aber sich für eine Stunde im Klo einsperren, um wenigstens diese
eine Stunde lang einmal allein sein zu können.
Ausgang gibt es während er Woche nicht.
Praxisunterricht:
Die Lehrlinge stellen sich der Größe nach in einer Reihe auf, die
Zehenspitzen sind in der Flucht. Der Lehrer kontrolliert die
Fingernägel, die Frisur und die Rasur:
Einer wird mit einem Eintagesbart erwischt, er hat sich zu entfernen. Wohin?
"Mit Unrasierten rede ich nicht." Das gibt "unerlaubtes Fernbleiben vom Unterricht".
Der
Bleistifttest: Hält der Lehrer einem Lehrling den Bleistift über das
Ohr und es stehen dann noch Haare drüber, dann wird er zum Friseur
geschickt, dort verlangt er einen "Gastgewerbeschnitt", und genießt die
Stunde unerlaubten Fernbleibens vom Unterricht.
Hygiene geht schließlich über alles.
Jedesmal
wird ein Anderer verantwortlich für die Arbeit von sechs Personen
gemacht, diesmal ist der Lehrling M. dran. Seine Aufgabe besteht darin
Suppeneinlagen zu kochen: Frittaten, Nudeln und Kaiserschöberl. Nun
sind aber keine Eier im Lager. Der Lehrling M. fragt den Lehrer, ob er
vielleicht andere Suppeneinlagen zubereiten soll, da keine Eier da sind.
"Ihre Aufgabe besteht darin, Frittaten, Nudeln und Kaiserschöberl zu machen."
Zuguterletzt gibt es ein Nichtgenügend, da der Lehrling M. keine Suppeneinlagen zustande gebracht hat.
Nach
dem Unterricht wird geputzt. Die Kochtöpfe werden in kaltem Wasser mit
immer den selben Fetzen ausgewaschen, die dann in kaltem Wasser
gereinigt werden, während der zwei Monate werden diese Fetzen weder
ausgetauscht, noch heiß gewaschen.
Hygiene geht über alles.
Der
Lehrling M. hat Glück: Er wird zum Tiefkühlraumputzen eingeteilt.
Dieser ist durch zwei dicke Türen vom Gang getrennt, so kann der
Lehrling bei minus 30 Grad ungehemmt singen, ohne dass ihn jemand hört.
Singen ist sonst strengstens verboten, M. braucht das aber unbedingt
für sein seelisches Gleichgewicht.
Religionsunterricht:
Ein netter alter Herr erzählt aus seinem Leben. Er wird der einzige
sein, der einem vierzehnjährigen Lehrling, der noch wie ein Kind
aussieht, und der immer weint, das einzige "sehr gut" gibt. Alle
anderen Noten werden ausnahmslos "nicht genügend" sein.
Zum
Abendessen gibt es dasselbe, wie zu Mittag, es steht auf dem Lehrplan
der Kochgrupe. Die Küche verdient größtes Lob, nicht nur auf gutes
Essen wird Wert gelegt, auch auf appetitliche Gestaltung.
Nach
dem Abendessen bleibt eine halbe Stunde frei, dann kommt die
Abendstudierzeit. Wieder hat der Lehrling M. Glück: Obwohl er erst im
ersten Lehrjahr ist, darf er in seinem Zimmer lernen, wie sonst nur die
"Drittjährigen", während die Übrigen im "Aufenthalts"raum lernen
müssen, wo sie ständig vom Erzieher bewacht sind. Nur hin und wieder
geht er nachschauen, ob die in ihren Zimmern auch wirklich lernen. Der
Lehrling M. wird erwischt, wie er einen Brief an seine Freundin
schreibt. Der Brief wird vom Erzieher konfisziert, das gibt zwei
Stunden Telefondienst am Wochenende.
Von seinem
Fenster aus sieht der Lehrling M. auf Innsbruck. (Aus dem Fenster
schauen ist zwar verboten, aber M. tut, als würde er angestrengt die
Pässe Tirols auswendig lernen.) Auf einem Hochhaus in Innsbruck
beginnen zwei helle Lichter zu blinken. M. weiß, dass jetzt bald die
Abendmaschine der Tyrolien Air landen wird, dann sind es nur noch zehn
Minuten Studierzeit.
Weil die Lehrlinge brav gelernt
haben, dürfen sie vor der Abendruhe noch eine Zigarette rauchen,
schnelle schaffen zwei, die Zigarette muss aber immer über dem Tisch
bleiben, also muss man den Kopf zur Zigarette beugen, Hauptsache
rauchen.
Das Tagesgespräch: Drei Lehrlinge vom
zweiten Stock sind aus dem Internat gewiesen worden, weil man in ihrem
Zimmer Schokolade gefunden hat. Lebensmittel sind in den Zimmern
nämlich strengstens verboten, die Folge ist sofortiger Rauswurf, was
zur wiederum Folge hat, dass der Lehrbetrieb die Kosten für die
Berufsschule nicht mehr übernimmt, und die Lehrlinge müssen sie aus
ihrer eigenen Tasche bezahlen.
Ob die Abendtoilette
auch ordentlich gemacht wurde, wird vom Erzieher überprüft. Manchmal
indem er mitten in der Nacht kommt, die Bettdecke wegzieht, um
nachzuschauen, ob die Füße gewaschen sind.
21 Uhr 15:
Nachtruhe. Um 21 Uhr 20 spricht der Lehrling M. noch ganz leise mit
einem der beiden Zimmerkollegen, der Erzieher hat an der Tür gelauscht:
"Wer
hat hier gesprochen?" Die Strafe ist streng aber gerecht: Am nächsten
Tag in der Mittagspause alle 50 Tische und alle 300 Sessel abwischen,
zuerst feucht, dann trocken.
Später in der Nacht, als
man den Erzieher schon schlafend vermutet, gibt es noch ein waghalsiges
Spiel: M. und seine Kollegen binden an ein Stück Zwirn eine Tafel
Schokolade und lassen sie beim Fenster hinunter. Im Zimmer unter ihnen
nehmen die Mädchen die Schokolade vom Faden und binden ein Sackerl
Zuckerl dran.
Gottseidank hat in dieser Nacht der
Direktor nicht mit dem Fernglas geschaut, ob etwa in einem der Zimmer
Licht brennt. Die Untat bleibt unbemerkt.
"Erfahrungsgemäß sind Lehrlinge des Gastgewerbes an einen geregelten Tagesablauf nicht gewohnt, und daher kommt es hin und wieder zu Klagen, das Internatsleben sei zu streng."
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Fünfzehn ehrlose Männer und eine Frau sitzen in einem Boot und diskutieren.
Das Boot treibt den Donaukanal hinab.
Bei der Nußdorfer Schleuse geht die Frau über Bord.
Und nachher will's wieder keiner gewesen sein.
Wir fragen uns: I S T D A S N Ö T I G ?
Und wir fragen uns weiter: Wie kommt ein Boot, das den Donaukanal hinab treibt, zur Nußdorfer Schleuse?
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Guten
Tag. Mein Name ist Gamble. Jawohl, ich bin der berühmte Inspector
Gamble von der Micropol. Zur Zeit bin ich allerdings außer Dienst
gestellt. Wegen meiner unorthodoxen Methoden zur Verbrechensbekämpfung.
Aber lassen wir das. Denn dies hier ist kein Bericht über mein Leben,
sondern einer über die Aktivitäten des Norbert Mottas in Wien.
Als
ich gemeiner Weise – nur weil ich einen Gauner nicht ordnungsgemäß der
offiziellen Polizei übergeben habe, sondern nur sein Haus über Nacht
knallrot angemalt und mit großen schwarzen Lettern drauf geschrieben
hatte: "Hier wohnt der Erzschurke Soundso, der schon seit Jahren in
Wien sein Unwesen treibt!" – vom Dienst suspendiert worden bin, habe
ich es mir zur Aufgabe gemacht, den Mottas zu überwachen. Das war nur
so als Training gedacht, damit ich nicht aus der Übung komme. Denn
früher oder später – so war ich damals überzeugt – würde man mich
wieder mit Ehren in die Dienste der Micropol stellen.
Nun,
mittlerweile sind dreieinhalb Jahre vergangen, und weder Headley, der
Chef der Micropol, noch Stern, sein Adjutant haben auch nur die
geringste Andeutung gemacht, mich wieder aufzunehmen. Sie müssen sich
das einmal vorstellen. Das passiert mir, dem eigentlichen Gründer der
Micropol. Dabei hatte ich damals keine andere Wahl. Hätte ich
vielleicht zur offiziellen Polizei gehen sollen und sagen: "Guten Tag.
Ich bin Inspector Gamble von der Micropol, und das ist der Erzschurke
Soundso, der diese und jene Verbrechen begangen hat." Ja, was glauben
Sie, was die geantwortet hätten! Nicht ein Wort hätten die mir
geglaubt. Micropol, so ein Blödsinn, hätten sie gesagt, die gibt´s doch
garnicht! Und genau das ist der springende Punkt: Offiziell gibt es die
Micropol ja wirklich nicht. So aber, dank meiner Idee, Soundsos Haus zu
bemalen, sitzt der Ganove nun hinter Gittern. Aber wie gesagt, hier
geht es nicht um mich, sondern um den Mottas.
Meine
erste Begegnung mit dem Mottas fand an der Tankstelle statt, an der er
arbeitete. (Angeblich soll er der freundlichste Tankwart Wiens gewesen
sein. Von Autos verstand er jedenfalls nicht viel.) Ich hatte damals
Probleme mit dem Dienstwagen und angenommen, Mottas – als Tankwart –
müsse sich doch damit auskennen. Nachdem ich ihm geschildert hatte,
welch eigenartige Geräusche der Motor bei Tempo 200 macht, sagte er,
das werden wir gleich haben. Er zog sich Gummihandschuhe an und folgte
mir zum Wagen. Die bloße Tatsache, dass er sich Gummihandschuhe anzog,
hätte mich stutzig machen sollen. Denn was ein echter Tankwart ist, der
scheut sich nicht, sich die Hände am Auto seiner Kunden schmutzig zu
machen, außerdem hat er nach Benzin und nicht nach Rasierwasser zu
riechen.
Mottas öffnete die Kühlerhaube, blickte den
Motor prüfend an und ersuchte mich, zu starten. Dann rief er: "Geben
Sie bitte Vollgas und stellen Sie dann den Motor ab, wobei Sie
gleichzeitig hupen und das Fernlicht ein und aus schalten." Obwohl mir
das sehr merkwürdig vorkam, tat ich wie geheißen. Mottas werkte am
Motor rum, und brummelte dabei immer etwas in der Art von "Mhm. Mhm, ah
ja, dachte ich es mir, hier ist er ..." Dann ließ er mich die Prozedur
wiederholen, nur dass ich diesmal nicht zu hupen brauchte, sondern die
Scheibenwischanlage betätigen musste.
Mottas warf
einen letzten scharfen Blick auf den Motor, nickte wissend, warf die
Kühlerhaube zu, zog theatralisch – wie ein Chirurg nach der Operation –
die Gummihandschuhe aus, und sagte in väterlichem Ton: "Die Sache ist
die: Ich weiß natürlich, was Ihrem Motor fehlt, und ich könnte das auch
behelfsmäßig reparieren, aber leider habe ich dazu nicht das nötige
Werkzeug. Darum kann ich Ihnen nur empfehlen, bald eine Werkstatt
aufzusuchen und bis dahin nie schneller als 199 km/h zu fahren. Aber
machen Sie sich keine Sorgen, so etwas kommt bei Autos dieser Marke
öfters vor."
Nun, seit ich vom Dienst suspendiert worden bin, ist mir auch mein Dienstwagen weggenommen worden, und daher kann ich über den weiteren Verlauf der Motorprobleme nichts berichten. Als ich dem Mottas damals Trinkgeld gab, hatte ich allerdings das Gefühl, dass er für den Bruchteil einer Zehntelsekunde verschmitzt lächelte. Jedenfalls nahm ich mir vor, den Burschen im Auge zu behalten, vorerst ohne zu ahnen, dass das eines Tages mein gefährlichster Fall werden würde. Mein gefährlichster, aber auch mein unglaublichster Fall. Denn Mottas war – und das muss auch einmal in aller Deutlichkeit gesagt werden – nicht nur Tankwart. Sein wahres und erschreckendes Wesen trat für mich erst zutage, als es fast zu spät war.
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Es
gibt Probleme, die einer lebhaften Diskussion würdig sind. Ein solches
Problem stellt die - geh bitte, konnst vielleicht a bissal leisa sein?
Danke!! - Ein solches Problem stellt die Einordnung des Salzburger
Bahnhofs dar. Wie folgendes Diskussionsprotokoll demonstriert.
Dummerweise habe ich bei der Protokollierung des Gesprächs weder Ort
noch Zeit notiert und weiß jetzt beim besten Willen nicht mehr, wo und
wann ich das Gespräch belauscht habe und wer die beiden Diskutanden
waren. Und meine Feldaufzeichnungen sind derart kryptographisch
ausgefallen, dass ich mich auch für die Authentizität der Wiedergabe
nicht verbürgen kann.
Das Gespräch wurde in Mostviertler Dialekt geführt und wird hier in der standardsprachlichen Entsprechung wiedergegeben.
A: Dann kann ich nicht mehr sagen, dass St. Valentin ein Bahnknotenpunkt ist.
B: Salzburg ist auch [sic] ein Kopfbahnhof und ein Bahnknotenpunkt.
A: Blödsinn! Salzburg ist kein Kopfbahnhof.
(Es folgt eine lange und heftige Diskussion, ob Salzburg nun ein Kopfbahnhof ist oder nicht.)
Ich wurde durch eine Erinnerung abgelenkt:
Ich
war einmal mit ein paar Freunden in Salzburg unterwegs. – Denn Salzburg
ist ja in erster Linie eine Stadt und nicht ein Bahnhof. – Wir
veranstalteten ein SalzburgerInnen-ärger-Spiel: Immer, wenn eine
Fußgängerampel auf Rot war und sich eine größere Menge an
SalzburgerInnen angesammelt hatte, sagte ich laut zu meinen Freunden:
"Eine schöne Stadt, aber dreckig!" So etwas schmerzt echte Salzburger;
manche versuchten sogar die Stadt zu verteidigen. Es seien die vielen
Touristen – sagten sie zum Beispiel –, die machen so viel Dreck. Darauf
antwortete ich meist gönnerhaft: "Naja, so dreckig ist die Stadt
eigentlich gar nicht. Sie sollten einmal Wien sehen. Alle Gehsteige
voller Hundescheiße!" Das versöhnte dann die Salzburger: Lieber eine
dreckige Stadt mit vielen Touristen, als alle Gehsteige voller
Hundescheiße!
In diese Gedankenwelt drängte sich nun ein Satz der Leute, die noch immer über Bahnhöfe diskutierten:
A: Ist Salzburg überhaupt ein Bahnkontenpunkt?
Dieser
Satz erhielt seine Nachdrücklichkeit dadurch, dass nun ein langes
Schweigen folgte. Und wenn ich versuche, mich an dieses Schweigen zu
erinnern, dann sehe ich zwei Personen, die aus dem Fenster eines
Schnellzuges starren. Zumindest so tun, als würden sie starren. In
Wirklichkeit sind sie in eine innere Gedankenwelt zurückgefallen und
denken über die Unmöglichkeit nach, mit der anderen Person vernünftig
zu reden. Vielleicht denken sie nicht einmal nach. Aber es gärt im
Inneren. Und nun weiß ich zumindest, dass das Gespräch in einem
Schnellzug stattgefunden haben muss. Das heißt: Schnellzüge hat es
damals keine mehr gegeben.
Früher gab es
Personenzüge, Eilzüge und Schnellzüge. Und die Fahrkarten waren aus
Karton. Wenn man eine Fahrkarte kaufte, wurde das Datum eingeprägt. Zum
Entwerten zwickte der Schaffner ein Loch in die Fahrkarte. Der Herr
Tertsch, unser Nachbar, war damals Schaffner, und er sammelte für mich
gebrauchte Fahrkarten. Personenzüge, Eilzüge und Schnellzüge gab es
früher, jetzt gibt es Regionalzüge, Intercitys, Eurocitys und was weiß
ich noch was. Und man kann den Zügen zu Werbezwecken Namen wie
"Sportwelt Amadée" verpassen. Meine Lieblingsfahrkarten waren die
Regiekarten, also verbilligte Fahrkarten für Bundesbahnbedienstete und
deren Angehörige. Das waren die buntesten Fahrkarten.
Noch
eine Vergünstigung gab es für Bundesbahnbedienstete und deren
Angehörige: Den Eisenbahnersprudel. Wenn ich mich richtig erinnere,
dann hieß er anfangs wirklich schlicht und einfach Eisenbahnersprudel
und wurde erst später in "Transit" umbenannt. Ob es auch ein eigenes
Bier für Bundesbahnbedienstete und deren Angehörige gab, das weiß ich
nicht mehr.
Erinnerungen prasseln nun auf
mich ein, wie schwerer Hagel. Ich werde alt: Mein Kurzzeitgedächtnis
lässt nach, aber Kindheitserinnerungen steigen immer häufiger in mir
auf. Ach ja, die Personenzüge! Die Schulzeit!
Vier
Jahre lang bin ich täglich mit einem Personenzug von St. Valentin nach
Steyr in die Schule gefahren. (Und fünf Jahre nach Perg, doch davon
später.)
Im ersten Jahr - es war wohl das
Schuljahr 1970/71 - war ich Nachmittagsschüler. Das Gymnasium, das ich
besuchte, war dermaßen überbelegt, dass die Klassenzimmer (und das
Personal) vormittags und nachmittags genützt werden mussten. Ich ging
in die 1G, die sich das Klassenzimmer mit der 4E teilte. Ich sehe uns
noch vor der Tür darauf warten, dass der Unterricht für die 4E zu Ende
ging. Dann strömten die Schüler der 4E aus dem Zimmer, das waren für
uns schon richtige Erwachsene, und wir konnten hinein. Im Zimmer stank
es meist furchtbar nach Schweiß und verbrauchter Luft. Unser
Mathematiklehrer, der Herr Professor Hateier, (der Herr Professor hat
Eier - blöder Schmäh, das ist tief! - aber er heißt wirklich so!),
unser Mathematiklehrer - er war zugleich auch unser Turnlehrer - was
habe ich unter ihm gelitten - pflegte in die Klasse zu kommen und
mittels seiner Tasche alle Gegenstände, die die Schüler in der ersten
Reihe auf dem Tisch liegen hatten, auf den Boden zu pflügen. Dabei
pflegte er auszurufen: "Hier stinkt's wie in einem Hasenstall.
Klassenordner: Fenster öffnen!" Aber ich schweife ab. Nur eins noch:
Das einzige, was ich von ihm gelernt hatte, war der Hopserlauf.
Egal: Noch eine Anekdote:
In
einer Turnstunde rief mich der Herr Professor Hateier zu sich. Er
zeigte mir seinen Schlüsselbund und ließ ihn zu Boden fallen. Ich
starrte den Professor entgeistert an, rührte mich aber nicht. Ein
eifriger Schüler (Maximilian Ott) kam herbei gesprungen, hob den
Schlüsselbund auf und reichte ihn dem Professor. Der sagte: "Siehst du,
Mottas, wenn dir einmal die Schlüssel runter fallen, dann hebe ich sie
dir auch nicht auf."
Und noch eine, weil
gerade die olympischen Spiele in Sydney das Radioprogramm verpesten.
(Was Ihnen nun helfen sollte, diesen Einschub zu datieren. Glauben Sie
nur nicht, ich hätte all diese Memoiren in einem Zug geschrieben. Wobei
nun nicht Eil- Sonder- Schnellzüge gemeint sind.):
Die
allererste Turnstunde in Steyr. Wie es sich für eine ordentliche
Turnstunde geziemt, mussten wir uns der Größe nach aufstellen. Die
Zehenspitzen schön in einer Reihe, sonst lief man Gefahr, dass einem
der Turnlehrer auf die Zehen steigt, was zu deutsch ungefähr heißen
soll: "He! Du stehst zu weit vorn!" Und zivilisierte Leute würden es
noch freundlicher ausdrücken. Nach einer Zeit des Sortierens standen
wir also schön in einer Reihe und der Größe nach geordnet im stinkenden
Turnsaal. Aus irgend einem Grund gehört es zu einem ordentlichen
Turnsaal, dass er auch ordentlich stinkt. Der Gestank wird
wahrscheinlich schon von der Turnsaalerbaufirma mitgeliefert. Die
Schuldirektion kann möglicherweise aus verschiedenen Gestanksnoten
wählen oder sich eine besondere Hausmarke zusammenmixen lassen. Nach
der Fertigstellung des Turnsaals wird er eingestunken. Der Schulwart
bekommt ein Fläschchen Gestankskonzentrat, und sobald der Gestank
nachzulassen droht, muss er den Turnsaal neu durchstinken. Vielleicht
sind es aber doch die geschundenen und verschwitzten Körper der
SchülerInnen, die den einmal angestunkenen Turnsaal immer wieder
nachstinken. Wir standen also in Reih und Glied, und Professor Hateier
hat wahrscheinlich ein paar einleitende Worte an uns gerichtet.
Wahrscheinlich etwas in der Art von: Wer nicht spurt kriegt es mit mir
zu tun, verpackt in die alte Geschichte, die lautet: "Ich kann nett
sein, aber auch streng, es liegt ganz an euch!" Obwohl der Professor
Hateier damals eher ein junger Lehrer war, hing der dem Konzept der
alten Schule nach: Die Klasse am Anfang tüchtig einschüchtern, später
kann man die Zügel dann ein wenig lockern.
Nach der
Einschüchterungsrunde zum Aufwärmen wurde ein sogenannter Kasten
aufgebaut. Ich muss anmerken, dass ich damals trotz meiner zehn Jahre
ziemlich naiv und unwissend in jeder Hinsicht war. Bis dato hatte ich
angenommen, Kästen seien Gebilde aus Holz, die zum Aufbewahren von
Dingen dienen. In meiner ersten Turnstunde lernte ich, dass auch
viereckige Holzkonstruktionen aus mehreren übereinander geschichteten
Holzrahmen mit einem Deckel mit dunkelbrauner Lederpolsterung als
Kästen bezeichnet wurden.
Nachdem der sogenannte
Kasten aufgebaut war, mussten wir uns wieder in Reih und Glied
aufstellen, um danach ein paar Runden im Turnsaal zu laufen. Dann
erklärte uns der Herr Professor, dass wir nun über den Kasten springen
sollten. Wenn ich mich richtig erinnere mussten wir sogar mit einem
Purzelbaum über den Kasten rollen. Dafür kann ich mich jetzt allerdings
nicht verbürgen. Der Herr Professor zeigte uns die Übung vor und ein
Freiwilliger durfte es als erster probieren. Ich hatte vor dieser Übung
Angst und versuchte mich mit einer Notlüge zu retten, indem ich sagte:
"Bitte ich habe mir gestern das Gnack verrissen." Der Professor fragte
mich: "Und wie schreibst Du das: Gnack?" Wie gesagt: damals war ich
sehr unwissend, aber ich erinnerte mich dann doch, dass man zu dem Ding
da hinten auch Genick sagen konnte. Ich sagte also: "Bitte ich habe mir
gestern das Genick verrissen." Damit war zwar der Fachausdruck des
Körperteils unter dem Hinterkopf geklärt, aber springen musste ich
trotzdem. Aus Angst nahm ich nicht genug Anlauf, und der Schwung
reichte nicht aus, meinen Körper über den Kasten zu bugsieren, sodass
ich zurückzufallen drohte. Der Professor eilte flugs herbei, konnte
mich zwar noch auffangen, stolperte dann aber über eine Matte (Matte,
auch so ein unseliger Fachausdruck für flache stinkende Dinge.) und
fiel hin. Er sah mich so böse an wie viele Jahre (17) später mein
Fahrschullehrer, als ich das Fahrschulauto fast in den Grünstreifen der
Zweierlinie gelenkt hätte. Nachdem sich der Herr Professor von seinem
Schreck erholt hatte, und es dauerte nicht lang, begann er zu schimpfen
wie ein Rohrspatz. Halt, ich widerrufe: Rohrspatzen tschilpen, und
selbst wenn sie schimpfen, klingt das für menschliche Ohren immer noch
fröhlich. Das Geschimpfe vom Herrn Professor klang aber ganz und gar
nicht fröhlich, und was die Lautstärke anbelangt, so schimpfte er
sicher mit 100 SS (Spatzenstärken).
Diese erste
Turnstunde prägte meine Einstellung zum Turnunterricht dauerhaft, und
es ist nicht verwunderlich, dass ich viele Jahre (9) später der erste
Schüler Österreichs war, der wegen eines "Nichtgenügend" in Turnen
nicht zur Matura antreten durfte. Die Schuld lag natürlich nicht allein
an Herrn Professor Hateier, in diesem Zusammenhang könnte auch ein Herr
Professor Moser genannt werden. Aber davon später. Ich erlaube mir nur
festzuhalten, dass ich immer ein bewegungsfreudiger Mensch war und es
bis heute noch bin, auch wenn meine Knie gerade nicht mitmachen wollen.
Aber der Turnunterricht war mir immer verhasst, wie auch alle
Turn-Fachausdrücke, wie sie nur ein Wirrgeist wie Jahn erfinden konnte.
(Einer der schlimmsten Fachausdrück, wohl der ekelhafteste von allen:
"Leibeserziehung, Knaben". Dies klingt nach Turnsaalgestank,
verschwitzten Leibchen und blauweißen Turnschuhen mit Gummisohlen.)
Zum
Thema Fachausdrücke: Sport ist immerhin Schporrtt und als solcher eine
ernste Sache. In Perg war der Turnunterricht besonders schlimm, denn zu
den schmerzhaften und gefährlichen Akrobatikstücken kam noch eine gute
Portion Mobbing. Ich werde zu geeigneter Zeit davon berichten. Vorerst
aber wie versprochen eine Anekdote zum Thema Fachausdrücke: die 5a, die
ich in Perg besuchte, war eine gemischte Klasse, der Turnunterricht
fand aber nach Geschlechtern sortiert statt. Einmal fragte mich eine
Klassenkameradin (Hinterreiter Monika), was wir denn in der Turnstunde
gemacht hätten. Ich antwortete: "Wir haben Ball-über-die-Schnur
gespielt." Sofort fielen meine männlichen, meine
leibeserziehungknäblichen Kollegen über mich her: "Das heißt nicht
Ball-über-die-Schnur, sondern Volleyball!" Wie gesagt, Sport ist
immerhin Schporrtt, und da gibt es nichts zu lachen. Heute kann ich es
gestehen: Ich habe absichtlich Ball-über-die-Schnur gesagt, um die
Lächerlichkeit dieses tierischen Sporternstes zu unterstreichen. Damals
allerdings rüttelte ich am Watschenbaum.
Sport ist
immerhin Schporrtt, und Scherze sind nicht gefragt: Einmal spielten wir
in Perg im Turnunterricht (Leibeserziehung, Knaben) Hallenfußball. Ich
stand in der Nähe des eigenen Tors, und als der Ball zu mir gerollt
kam, versuchte ich einen Scherz zu machen und schoss ein Eigentor. Na
mehr habe ich nicht gebraucht. Alle fielen über mich her, wochenlang
war die ganze Klasse auf mich böse. Wohlgemerkt: Es war lediglich ein
Fußballspiel im Turnunterricht innerhalb der Klasse, zwischen zwei
Mannschaften, die nur für diese eine Stunde zusammengestellt worden
waren. Ich hatte gedacht, die meisten würden das lustig finden, aber
ich hatte mich geirrt. Lustig fanden es meine Klassenkameraden nur,
wenn ich stürzte oder mich sonst irgendwie verletzte. Wenn ich mich
beim Fußballspiel nur ungeschickt anstellte, ohne mich jedoch zu
verletzen hieß es: "Oaschloch, schias!" "Schau wosd hiii-schiasd,
Darottl!" Und der Turnlehrer pflichtete ihnen nur bei. Meist endete ein
Klassenfußballspiel für mich mit ein paar blauen Flecken.
Besonders
lustig war das Zusammenstellen der Mannschaften für die jeweiligen
Fußballspiele: Die beiden besten Fußballer wurden zu den Kapitänen der
Mannschaften gekürt und durften abwechselnd einen Kameraden in die
Mannschaft wählen. Nachdem die besseren Spieler weg waren, kamen die
weniger guten dran, als letzter blieb immer ich über. Und die
Mannschaft, die mich zugeteilt bekam, begann sofort zu rebellieren:
"Naaa, ned scho wieda da Mooottas!" "Dea Droddl!" "Geh do gfreids mi
nimma!" "Duads eam weg!" Wie gesagt, ich war hochmotiviert. Bis ich
mich eines Tages überhaupt weigerte, an den Fußballspielen
teilzunehmen. Statt dessen machte ich "Zivildienst", wie ich es nannte:
Sprunggrube planieren, Gerätekasten zusammenräumen oder ähnliches.
Manchmal wurde ich allerdings zum Mitspielen gezwungen. Dann stellte
ich mich an den Rand des Spielfeldes und wartete dort, bis die
Turnstunde vorüber war. Und kam durch Zufall der Ball zu meinen Füßen
gerollt, dann schoss ich ihn schnell weiter, um die anstürmende Horde
in eine andere Richtung zu locken. ("Schau wosd hiii-schiasd, Darottl!")
Ein
Jahr lang war der Turnunterricht lustig: Es war in Steyr. Wir hatten
einen neuen Turnlehrer bekommen, einen ganz frischen, einen, der noch
Idealismus abseits von militärischem Drill bewahrt hatte. (Wenn ich
nicht irre, war sein Name Schmidt.) In den Turnstunden machten wir
entweder lustige Spiele für alle (z.B. das Piratenspiel) oder er teilte
die Klasse in vier Leistungsgruppen ein: In der Gruppe eins waren die
besten, die wurden mit speziellen Übungen gefördert. In der Gruppe zwei
waren die nicht ganz so guten und so weiter. Ich war in der Gruppe
vier. Wir durften tun und lassen, was wir wollten, Hauptsache wir
bewegten uns ein bisschen und taten nichts Gefährliches. Auch das
Fußballspielen war lustig: Wir waren 36 Schüler in der Klasse. Die
engagiertesten 22 spielten auf dem "richtigen" Platz Fußball, und wir
übrigen bekamen einen Ball und durften auf dem kleinen Platz
Ballspielen. Keiner von uns wollte gegen irgendwen gewinnen, und daher
war das Spiel einfach nur lustig. Manchmal ließen wir den Ball aber
einfach liegen, setzten uns ins Gras und unterhielten uns über das
Thema, das uns damals am meisten interessierte: Modellsegelflieger.
(Über die Flugzeugmodelle der frühen Siebzigerjahre könnte ich auch
noch einiges erzählen.)
Aber
eigentlich wollte ich von den Zugfahrten berichten. Von den Fahrten mit
dem Personenzug. Doch davon später. Nämlich jetzt. (Sie müssen wissen:
zwischen dem "Doch davon später." und dem "Nämlich jetzt." sind viele
Monate vergangen und ich habe in der Zwischenzeit schon viel Wasser
gelassen, würde Terry Pratchett sagen.)
Was
jeder Fahrschüler auf alle Fälle lernte, das war der Unterschied
zwischen einer 1042er Lok und einer 1141er. Wir freuten uns immer, wenn
eine 1042er Lok unseren Zug zog. Einmal kam eine Dampflok mit unserem
Zug daher. Die wurde ausgelacht und ausgebuht. Heute wäre das eine
Sensation, aber damals waren Dampfloks gerade frisch aus der Mode
gekommen, und keiner von uns weinte ihnen nach.
Die
Waggons waren grün. Eisenbahngrün. Grüne Waggons, die miteinander durch
brückenähnliche Gebilde verbunden waren. Wenn man von einem Waggon in
den nächsten wollte, musste man im Freien über diese Brücken gehen. An
warmen Tagen konnte man die Fahrt überhaupt im Freien verbringen. (Ganz
Coole setzten sich auf die Stiege, die zum Aussteigen gedacht war. Der
Schaffner durfte das nicht sehen. Schaffnerinnen gab es damals noch
nicht. Nicht einmal in der Vorstellung.) Und dann waren noch die
schwarz gestrichenen Eisenstangen, die die Brücke von der Stiege
trennte.
Ich kann Ihnen sagen, ich bin froh, dass
damals nie das Aufsatzthema: "Beschreibe einen Eisenbahnwaggon."
gegeben worden ist. Ziemlich dumm wäre ich da gestanden.
Im
Inneren der Waggons waren Sitzbänke, die mit dunkelgrünem Kunstleder
überzogen waren. An mehreren Stellen waren sie geflickt. In manchen
Waggons waren die Lehnen nur schulterhoch. (Hier ist an die
Schulterhöhe von sitzenden Menschen zu denken!) In diesen Waggons hatte
man freie Sicht auf alle Passagiere.
Einmal hat der
Dorfmaier Raimund eine Stinkbombe gekauft. Und der Kurt, sein
zweieiiger Zwillingsbruder (schon wieder so ein eierhältiges
Wortspiel!) hat die Stinkbombe zertreten. Im Zug. In einem
vollbesetzten Zug. In einem Zug, in dem vor allem Arbeiter nach Hause
fuhren. Arbeiter, die von der Arbeit müde waren, und die vor allem für
derlei Scherze zu müde waren. Der Waggon war sehr schnell leer. Bitte
rechnen Sie mit: Da ist ein Zug mit vier Waggons. Er ist voll besetzt.
Ein paar Leute müssen sogar stehen. Und dann wird ein Waggon durch eine
Stinkbombe unbrauchbar. Wie viele Personen müssen jetzt stehen? Die
Gebrüder Dorfmayr stiegen in Ernsthofen aus. Der Zug war nun nicht mehr
ganz so voll, denn mittlerweile waren auch schon viele Arbeiter
ausgestiegen. Dadurch fand ich kein Versteck mehr in der Menge, und ein
Arbeiter erkannte mich als einen der Bengel mit der Stinkbombe. Viel
hätte nicht gefehlt, und er hätte mich verprügelt.
Einmal
bekam ich eine Ohrfeige. Bitte beachten Sie: Ich bin Pazifist und lehne
Gewalt in jeder Form ab. Und Gewalt gegen Kinder sowieso. Aber für
diese eine Ohrfeige, die ich damals bekommen habe, mache ich eine
Ausnahme: Um die hatte ich gebettelt, wie man damals zu sagen pflegte.
Es war eine Heimfahrt von Steyr und meine Schulkameraden und ich waren
zum Leidwesen der anderen Fahrgäste in bester Laune. Ein älterer Mann
schimpfte über uns, was dazu führte, dass wir ihn die ganze Fahrt über
pflanzten. Verglichen mit den Rüpeln, die man heute aus den Schulen
strömen sieht, waren wir die reinsten Waserl, aber für damalige
Verhältnisse waren wir sehr lästig. Und zwanzig Minuten lang pflanzten
wir den alten Mann unter Zuhilfenahme unserer gesamten kindlichen
Fantasie. In Ernsthofen stiegen meine letzten Klassenkameraden aus.
Alleine traute ich mich nicht weiter zu stänkern, aber nachdem in St.
Valentin alle Passagiere ausgestiegen waren und durch die Unterführung
gingen, näherte ich mich noch einmal dem alten Mann schlich mich an und
rief dann "Juuuhuuu!" in sein Ohr. Er drehte sich um und pickte mir
eine, ganz im Reflex. Und ich kann mich genau erinnern: Im selben
Moment war mir klar: Das hast Du jetzt verdient.
Wie gesagt: ich lehne Gewalt gegen Kinder ganz entschieden ab. Aber für den alten Mann damals habe ich Verständnis.
Weiter
in der Beschreibung der Waggons: Ein Ledergurt diente zum Öffnen und
Schließen des Fensters. Der Gurt war an der Unterseite des Fensters
befestigt und mit Hilfe dieses Gurtes konnte man das Fenster
unterschiedlich tief in die Waggonwand versenken. Im Gurt waren in
regelmäßigen Abständen Löcher eingestanzt, diese dienten zur
Adjustierung des Öffnungsgrades des Fensters: An der Waggoninnenwand
war ein Metallknopf befestigt an dem man den Gurt festmachen konnte. In
das Ende des Ledergurtes war ein Holzstück eingenäht, und wenn man den
Ledergurt gegen das dunkelgelb gefärbte Blechgitter der Heizung
schwingen ließ, dann machte es "Gong!"
Ich sehe
schon, die Leute, die solche Waggonfenster nicht kennen, können sich
jetzt nichts vorstellen. Es ist aber verdammt schwierig diesen verdammt
einfachen Mechanismus zu beschreiben. Nein: Quälen Sie Ihre Fantasie
jetzt nicht. Sagen Sie einfach: Wovon spricht er? Begnügen Sie sich
bitte damit: Die Waggons waren eisenbahngrün, und wer von einem Waggon
zu einem andern wollte, der musste zuerst ins Freie. Logischerweise
waren die Waggons miteinander verbunden. Erst das machte einen Zug zum
Zug.
Meine Schulkameraden, die im selben Zug fuhren
waren die Zwillinge Kurt und Raimund Dorfmayr. Sie stiegen in
Ernsthofen zu. In Dorf an der Enns stieg der Schimpl Manfred zu, mit
dem wir aber nicht viel zu tun haben wollten, da er uns gern und ohne
Anlass verprügelte. In Haidershofen gesellten sich Pirkelbauer
Reinhold, Schlögelhofer Werner, Winkler Siegfried und Kurt Heiligenmann
dazu. Der einzige, mit dem ich heute noch in Verbindung stehe, ist der
Kurt.
Meine erste große Liebe war die Gudrun H..
Sie war aus Ernsthofen und fuhr auch täglich nach Steyr. Zum erstenmal
entdeckte ich die Anziehungskraft eines Mädchens auf mich. Meine
Schulkameraden sprachen schon viel über Mädchen, aber mich hatte das
nie interessiert. Und plötzlich verliebte ich mich in die Gudrun. Ich
wusste nicht, wie ich mich bemerkbar machen sollte. Sie saß damals
immer mit zwei Freundinnen aus Ernsthofen im Zug. Einmal setzte ich
mich dazu, ein Gespräch wollte aber nicht richtig in Gang kommen. Ein
paar Tage später sagte die Gudrun zu ihren Freundinnen – so laut, dass
ich es hören musste: "Und so a Kaasmandl wü si zu uns setzn!" Ich habe
sie nie wieder angesprochen, aber vergessen habe ich sie auch nicht.
Eine
herausragende Figur im Zug war der Norbert - auch aus Ernsthofen. Er
war ein bisschen verrückt, und wenn man ihn darum bat, gab er entweder
seinen berühmten Brunftschrei oder den Urschrei zum besten. Als ich
später die Schule wechselte und nach Perg pendelte, war der Norbert
ebenfalls ein Fahrschüler auf dieser Strecke, und als ich noch viel
später in Linz die schwindlige Maturaschule "Akademia" besuchte, war
Norbert einer der Mitschüler. Er war Amateurfunker und berichtete
abenteuerliche Erlebnisse. Er konnte gut erzählen und glaubte die
Geschichten, die er erzählte, wirklich. Einmal habe er per Amateurfunk
eine Passagiermaschine vor dem Absturz bewahrt. Aber er habe auch
selbst schon eine geflogen und eine Notlandung mit Bravour geschafft.
Ich
erinnere mich daran, wie er in der schwindligen Maturaschule "Akademia"
einmal vor großem Publikum versucht hat, eine Zigarettenpackung in die
Höhe zu werfen, zweimal in die Hände zu klatschen und dann die Packung
wieder zu fangen. Er warf die Packung in die Höhe, klatschte zweimal in
die Hände, aber die Packung kam nicht mehr zurück: Sie war auf der
Halterung für die Neonröhre liegen geblieben. Diese Halterung war
schmäler als die Zigarettenpackung, und geübte
Zigarettenpackungszielwerfer könnten es jahrelang versuchen, es würde
ihnen nicht gelingen, die Zigarettenpackung so zu werfen, dass sie auf
der Halterung liegen bleibt. Dem Norbert allerdings passierten solche
Sachen. Diesen Vorfall habe ich persönlich beobachtet.
Vor ein paar Jahren habe ich von Werner Gruber erfahren, dass der Norbert gestorben ist.
Doch zurück nach Steyr und der Zugstrecke St. Valentin – Steyr.
Am
Bahnhof von Steyr gab es eine öffentliche Toilette, die von einer -–
wie man damals sagte -– Klofrau betreut wurde. Der Ausdruck "Klofrau"
war damals nicht abwertend gemeint, wohingegen der Schulwart (Black
Jack, wegen seines schwarzen Arbeitsmantels) heftig darauf bestand
"Schulwart" zu sein und nicht Schuldiener.
Die
Klofrau vom Steyrer Bahnhof war eines der Ziele unserer Streiche. Vom
Fenster ihres Dienstzimmers aus konnte sie auf den Bahnhofsvorplatz
schauen. Es sei denn, jemand stand davor. Wir machten uns einen Jux
daraus, immer solange vor dem Fenster herumzulungern, bis die Klofrau
kam und uns verjagte.
Eine andere Person, die gerne
gepflanzt wurde, war die Frau vom Zeitungskiosk. Das war schon eine
ältere Dame. Es war – glaube ich – der Schlögelhofer Werner, der zu ihr
sagte: "Ich bekomme bitte ein (?)-Heftl mit einer Senfquatschen." Doch
so schnell konnte er gar nicht schauen, da hatte die Verkäuferin schon
ein Holzlineal in der Hand, das sie ihm auf den Kopf schlug. Bei dem
Zeitungskiosk kauften wir manchmal Wachszünder: Das waren
Streichhölzer, die man an glatten Oberflächen anreißen konnte.
Zwischen
Bahnhofsvorplatz und Bahnsteig war ein Durchgang, in den man durch eine
Doppelschwingtür aus Glas gehen konnte. Jede Seite dieser Schwingtür
war separat absperrbar. Einer unserer Scherze bestand darin, eine Seite
abzusperren und uns vor die andere Seite zu stellen. Leute, die nun in
den Bahnhof wollten, versuchten nun die nicht verstellte Seite zu
benutzen und rannten natürlich dagegen, da sie ja versperrt war.
Am
Bahnsteig gab es noch ein Buffet. Dort kauften wir immer Süßigkeiten.
Meine Lieblingssüßigkeiten waren Kokosstangerl. Die kosteten 50
Groschen. Das Billigste waren die legendären Stolwerck zu 10 Groschen
das Stück. Wenn ich mir ein Kokosstangerl kaufen wollte, musste ich mir
das Geld dazu ausborgen. Am nächsten Morgen gab ich es zurück, um es
mir zu Mittag wieder auszuborgen. Ich hinkte meiner Zeit immer ein
Kokosstangerl nach.
Bei dem Buffet kauften sich viele Arbeiter ein Stehbier während sie auf ihren Zug warteten. Es standen daher immer einige leere Bierkrüge herum, für mich war das damals eine ziemliche Geruchsbelästigung, und das ist deshalb so erstaunlich, weil heute Bier zu meinen Lieblingsgetränken zählt.
Das Wiedersehen mit Professor Hateier:
In
den späten Siebziger Jahren fand ein Schülerfußballturnier statt.
Fragen Sie mich nicht wo, es war wohl irgendwo in Oberösterreich. Die
Schulmannschaft des BORG Perg nahm auch teil und ich wurde verpflichtet
mitzufahren, um die Spieler anzufeuern. Schon die Fahrt im Bus war eine
Qual: Oleeeoleoleoleee gab damals gottseidank noch nicht, dafür wurde
eine ähnlich grauenvolle Hymne eingeübt: Peaga saaama, gwinna daaaama
eheeeheoheeoooh. Mir rollte es die Zehennägel auf. Als wir dann beim
Austragungsort ankamen, waren dort schon ein paar Mannschaften, die
sich auf dem Fußballplatz aufwärmten. Unter anderem eine Mannschaft aus
Steyr und als Begleiter: der Herr Professor Hateier. Er erkannte mich
sofort und forderte mich auf, für Steyr zu schreien. Er war nur schwer
zu verstehen, denn die "Anhänger" der Mannschaften lieferten sich schon
Schreiduelle, noch bevor das erste Spiel begonnen hatte. Und
irgendjemand der Steyrer hatte eine lautstarke Kurbelsirene mit. Ich
kam in einen schweren Gewissenskonflikt: Einerseits hätte es mich
gereizt, für Steyr zu schreien, Quergeist der ich war. Andererseits
wollte ich nicht für die Mannschaft des Professor Hateier schreien. Und
außerdem: Es war grundsätzlich unter meiner Würde, überhaupt für ein
Fußballspiel zu schreien. In der Zwischenzeit war aus dem Schreiduell
eine Rempelei geworden, wobei es den Pergern gelang, den Steyrern die
Sirene wegzunehmen. Und wären nicht die begleitenden Lehrer
eingeschritten, wäre es wahrscheinlich zu einer Massenschlägerei
gekommen. Wie gesagt, noch bevor das erste Spiel begonnen hatte.
Einschub:
Als ich ein sehr kleines Kind war, hat mich mein Vater hin und wieder
zum Fußballplatz mitgenommen. Mein Problem war, dass ich von den
Spielen überhaupt nichts mitbekam. Ich wusste nur, dass man hin und
wieder "Tooor!" brüllen musste. So brüllte ich hin und wieder: "Tooor!"
Natürlich zu unpassenden Zeiten. Manchmal sagte mein Vater: "Schau,
jetzt musst du Tooor schreien." Mir gelang es nie, dahinter zu kommen,
nach welchen Regeln und wann man Tooor schreien musste, bemerkte aber,
dass alle anderen am Fußballplatz diese Problem nicht hatten. Ich
fühlte mich ausgeschlossen von einem Geheimwissen, und langweilig war
mir auch. Sehr langweilig. Das dürfte so um 1965 gewesen sein.
Zurück
in die späten Siebziger, zurück zum Spiel Steyr gegen Perg. Der
Premstaller Christoph und ich hatten einen Ausweg aus dem Dilemma
gefunden: Anstatt uns den üblichen Schlachtgesängen anzuschließen,
schrieen wir hin und wieder: "Ein fröhliches Mühlviertel!" Das
Unterhaltsame daran war, dass Christoph und ich – ohne dass wir uns ein
Zeichen geben mussten, und ohne dass irgend etwas außerordentliches am
Spielfeld geschah – synchron unseren "Schlachtruf" ausstießen. Diesmal
waren es die anderen, die vom Geheimwissen ausgeschlossen waren.
Dummerweise waren die anderen natürlich mehr. Sie wurden durch den für
einen Fußballplatz unüblichen Schlachtruf, der noch dazu ohne
Korrespondenz zum Fußballspiel erschallte, dermaßen irritiert, dass sie
uns Prügel androhten, sollten wir noch einmal: "Ein fröhliches
Mühlviertel!" rufen. Wenn man oft genug von Fußballern oder Fußballfans
verprügelt worden ist, kennt man den Überziehungsrahmen, und weiß ab
wann es wirklich gefährlich wird. Deshalb riefen wir noch ein paar Mal:
"Ein fröhliches Mühlviertel!" und zogen uns dann von dem Spiel zurück,
mit dem wir ohnehin nichts zu tun hatten. Statt dessen diskutierten
wir, ob Twist nun die Krönung des Rock'n'Roll sei oder eine
Degenerationserscheinung. Wir sprachen sicher auch über die Beatles.
Es
wird wohl um diese Zeit gewesen sein, als Christoph in St. Georgen an
der Gusen in einer Band Gitarre spielte, und ich war in St. Valentin
"Keyboarder" von Rockin' Splash. Rockin' Splash, das waren Lechner
Charley, unser Bandleader an der Leadgitarre, Werner Gruber – obwohl
Fußballer schwer in Ordnung – am Bass, Klaus Winninger (der Hasenbauer)
an der Liegegitarre (er spielte am liebsten ausgestreckt am Rücken
liegend und alle zwei Stunden einen Akkord), Edgar Mottas, mein Cousin,
am Schlagzeug und ich an der Bontempi-Orgel. Später stieg ich auf eine
Tiger Echo um. Den Namen Rockin' Splash hatte ich erfunden, und ich
empfahl dem Christoph, die Band, in der er spielte, Rockin' Splish zu
nennen. Es kam sogar zu einem kleinen Festival im Gasthaus "Pöschko",
wo beide Bands auftraten, zusätzlich spielte Robert Sattler Schlagzeug.
Die Veranstaltung endete im Chaos: Der Wirt sperrte uns im
"Konzertsaal" ein, um uns der Polizei zu übergeben. Obwohl dieser Raum
im ersten Stock lag, konnten wir über das Fenster alle Instrumente in
Sicherheit bringen und dann flüchten.
Etwas später
löste sich Rockin' Splash auf weil Edgar zu "Purple Ghost" wechselte.
Werner Gruber und ich stiegen bei der Band von Christoph ein. (Klaus
Winninger wurde Musikjournalist und hat es tatsächlich zu etwas
gebracht. Charly Lechner gründete die Rock'n'Roll Band "Feedback")
Unser Bandname war nun Sigma, und das waren Rudi Wiesmayr (Schlagzeug,
Proberaum, Bandbus und Schwestern), Christoph (Leadgitarre), Richard
Peyerl (Rhytmusgitarre), Werner Gruber (m-m Bass: der Bass machte nie
dumm-dumm, sondern nur m-m) und ich an der Tiger Echo. Als eines Tages
Peyerl Richard bei einem Mopedunfall ums Leben kam, wechselte ich zur
Gitarre. Wir spielten ein Konzert in memoriam Richard Peyel. Damals
spielte Elisabeth "Elo" Wagner (mittlerweile Marothy) auf der Tiger
Echo. Sie und Christoph waren die beiden, die wirklich was drauf
hatten, wir anderen hatten zwar viel Spaß, aber musikalisch waren wir
nicht gerade Leuchten.
Diese kurze Ausflug in die
Musik soll zeigen, woher ich die Kraft hatte, gegen die Widrigkeiten
einer übersportelten Schule anzuleben.
Mein
zweites Refugium war beim Olaf in Steinbach an der Steyr. Beim Olaf war
immer etwas los. Es gab viele Leute mit Gitarren, die mit dem
Gitarrenbuch von Peter Bursch Gitarrespielen gelernt hatten. Die Fahrt
zum Olaf war schon ein eigenes Erlebnis. Zuerst mit der Rudolfsbahn der
Enns entlang nach Garsten. In Garsten stieg ich dann in die
Steyrtalbahn um, die damals noch regulär dampfbetrieben geführt wurde.
Noch heute habe ich den Kohlengeruch in der Nase und in angenehmer
Erinnerung. Und wenn ich im Prater bin und die dampfbetriebene
Liliputbahn vorbeifährt, dann sauge ich den Rauchgeruch tief ein und
lasse mich in der Erinnerung wieder zurück zur Steyrtalbahn tragen. Es
war eine Schmalspurbahn, der Steyr entlang, durch Wälder und Wiesen und
so weiter. Ich hatte immer meine zwölfsaitige Westerngitarre mit, wenn
ich zum Olaf fuhr. Und wenn ich dann so im dampfbetriebenen Zug der
Steyr entlang fuhr, träumte ich davon, wie schön es wäre, einmal mit
der Gitarre nach Nashville zu fahren und dort aufzutreten. Wissend,
dass das ein sinnloser Wunschtraum ist. Und dann, viele Jahre später
wurde der Wunsch fast Wirklichkeit: Ich trat zwar nicht in Nashville auf, dafür aber im
Nashville. Das Nashville ist ein gemütliches Lokal in Wien, in dem es
fünfmal in der Woche Livemusik gibt. Es wurde ungefähr zu der Zeit
eröffnet, zu der ich hin und wieder nach Steinbach an der Steyr fuhr.
1999 und 2000 bin ich öfters im Nashville aufgetreten, habe Rock'n'Roll
und Countrymusic gespielt, und eines Tages ist mir der Wunschtraum von
damals wieder eingefallen.
Einschub Oktober 2012: Heuer waren wir mit unserer Band "Flatcat Ramblers" von den Steyer Grünen eingeladen worden, in der Steyrtalbahn während der Fahrt von Steyr nach Grünburg zu spielen. Da kamen viele Jugenderinnerungen auf.
Weiter im Originaltext:
Ich
könnte jetzt noch von Pater Roland und dem Verein "Jugendhilfe Perg"
erzählen oder vom Verein "Adsum" – alles Parallelaktionen zu meinem
Perger Schülerleben. Aber ich begnüge mich damit, noch einmal darauf
hinzuweisen, dass ich der erste Schüler Österreichs war, der wegen
eines "Nichtgenügend" in Turnen (Leibeserziehung Knaben) nicht zur
Matura antreten durfte.
Der Bahnhof von Perg
war ganz sicher kein Kopfbahnhof. Wie sehr ich mein Erinnerungsvermögen
nun auch quäle, ich sehe ihn nur vage vor mir. Wohl aber fallen mir ein
paar Episoden ein.
Zum Beispiel:
Es
war Winter, und während des Vormittags hatte es viel geschneit. Eine
Gruppe SchülerInnen wartete auf den Zug nach Hause. Wir hatten eine
lustige Schneeballschlacht. Ich nahm einen leichten Schneeball in die
Hand und wollte damit der Doris (?) das Gesicht einrübeln. Sie lief
davon, in den Wartesaal und warf hinter sich die Tür zu. Ich war
dermaßen schnell hinter ihr her, dass ich nicht mehr bremsen konnte und
mit der Hand eine Fensterscheibe in der Tür einschlug. Natürlich machte
ich mich sofort auf den Weg zum Bahnhofsvorstand, um das zu melden,
aber der Fahrdienstleiter kam mir auf halbem Weg entgegen geschritten.
"So!" sagte er, "Du gehst jetzt zu dem Polizisten dort und meldest was
du getan hast!" Beim Bahnhof stand ein Polizeiauto, in dem ein Polizist
saß. Das Auto stand jeden Tag um die Zeit dort, um den Postwaggon zu
schützen. Ich sagte: "Wozu soll ich das dem Polizisten melden.
Schreiben Sie sich einfach meinen Namen und die Adresse auf, und meine
Eltern werden den Schaden bezahlen." Aber nein, der Fahrdienstleiter
zerrte mich zum Polizeiauto und erzählte dem Polizisten, dass ich eine
Scheibe eingeschlagen hätte. Der Polizist zwang mich ins Polizeiauto
und sagte, ich hätte Glück, dass da ein paar Leute zusehen, sonst würde
er mich verprügeln. Ich sagte, dass ich die Scheibe nicht absichtlich
eingeschlagen hätte und mich ohnehin melden wollte. Nach längerem Hin
und Her schrieb sich der Fahrdienstleiter dann doch meinen Namen und
meine Adresse auf. (Ob ich mir weh getan hätte, fragte mich niemand!)
Zu Hause erzählte ich das meiner Mutter. Sie rief den Fahrdienstleiter
an und fragte ihn, warum er mich gleich zur Polizei geschickt hätte. Er
meinte nur, mit Schülern rede er nicht. Jedenfalls vereinbarten sie,
dass er mir eine Rechnung geben werde, und meine Eltern würden die
Scheibe bezahlen.
Eine Zeit lang geschah gar nichts.
Nach zwei Wochen sagte mir mein Klassenvorstand, dass der
Fahrdienstleiter angerufen und erzählt hätte, dass ich eine Scheibe
eingeschlagen habe und sie nicht bezahlen wolle. Ich erklärte ihm den
Hergang. Ich war zwar als schlimmer Schüler bekannt, aber mein
Klassenvorstand glaubte meiner Version. Außerdem sagte ich, dass meine
Eltern den Schaden bezahlen würden, sobald ich eine Rechnung bekäme.
Eine Woche später fragte mich dann der Schulwart, warum ich die Scheibe
nicht bezahle, der Fahrdienstleiter habe schon mehrmals in der Schule
angerufen. Wieder erklärte ich meine Sicht der Dinge.
Wieder
ein paar Tage später kam der Bahnhofsvorstand zu mir und fragte mich,
ob ich denn gar kein schlechtes Gewissen hätte. Zum abertausendsten Mal
erklärte ich, dass ich die Scheibe bezahlen würde, sobald mir endlich
jemand sagt, wie viel sie gekostet hat, und dass ich bisher noch keine
Rechnung bekommen hätte. Nun drückte der Bahnhofsvorstand ein bisschen
herum und sagte schließlich, dass die Bahnhofsarbeiter eine neue
Scheibe eingebaut hätten, dass das eigentlich nichts gekostet hätte,
aber ich sollte den Arbeitern ein Bier zahlen. Ich fragte nicht, warum
man mir das nicht gleich gesagt hat, zahlte den Preis einer halben
Kiste Bier und die Sache war erledigt.
Wenige Monate später wurde der Bahnhof abgerissen und neu errichtet. Auch der neue Bahnhof war kein Kopfbahnhof.
Start Inhaltsverzeichnis Fotos Links Wortspenden
"Santy
war ein Arschloch. Und zwar eins von der Art Arschlöcher, auf die
Frauen aus irgend einem Grund fliegen. Santy war ein ziemliches
Arschloch, eins von der Art Arschlöcher, die von Frauen immer in Schutz
genommen werden. So ein Arschloch war Santy. Und ausgerechnet dieses
Arschloch musste meine Wege kreuzen. Santy war ein derartiges
Arschloch, sage ich Ihnen!"
"Okay", antwortete ich, "jetzt wissen wir, dass Santy anscheinend ein Arschloch war. Und was weiter?"
"Nicht
anscheinend ein Arschloch, Herr Detective, das war ein Riesenarschloch.
Und die Frauen sind ihm trotzdem zu Füßen gelegen."
"Herr
Bunker!" sagte ich mit gequälter Geduld, es wäre mir recht, wenn Sie
mir erzählen würden, was weiter letzten Donnerstag geschehen ist."
"Letzten
Donnerstag kam dieses" – Bunker machte eine Pause, als würde er einen
passenden Ausdruck suchen – "dieses, dieses – Arschloch - in mein
Geschäft! Es war gegen sieben. Ich wollte gerade schließen, da kam
dieses Arschloch."
"Herr Bunker, Sie haben jetzt oft
genug den Ausdruck Arschloch verwendet, würden Sie bitte eine neutrale
Bezeichnung für den Mann verwenden, den Sie immerhin umgebracht haben."
"Also
dieses, dieser, dieser Santy kam, als ich gerade schließen wollte." Die
Erinnerung übermannte Bunker, es schien, als könne er nicht weiter
berichten, wenn er dabei den Ausdruck Arschloch nicht gebrauchen
dürfte. "Ich wollte gerade schließen." wiederholte er. "Es war kurz
nach sieben. Scheiße! Um diese Zeit bin ich sonst schon unterwegs!"
Bunkers Stimme war heiser geworden, er war kurz davor, in Tränen
auszubrechen. "Scheiße!" sagte er noch einmal, dann verstummte er.
Ich
sah ein, dass ich heute nicht mehr viel aus ihm heraus bekommen würde.
"Herr Bunker", ich versuchte möglichst versöhnlich zu klingen, "für
heute ist es genug. Ich komme morgen früh wieder. Guten Abend!"
Ein klassischer Fall, dachte ich mir, als ich meine Pfeife stopfte. Ein klassischer Fall, und trotzdem ...
"Harry, das gefällt mir nicht!" sagte ich zu einem Sergeanten, der mir zufällig über den Weg rannte. Er verstand den Witz nicht und schaute mich verblüfft an. "Was meinten Sie, Sir?" Ich antwortete: "Ach, nichts." und setzte meinen Weg fort. Der Sergeant steht wahrscheinlich noch heute an der Stelle und staunt.
Start Inhaltsverzeichnis Fotos Links Wortspenden
Wenn
man Wachau hört, dann assoziiert man damit Wein und Marillenblüte,
nicht aber Sitzend Pinkeln. An die Marillenblüte denkt man, nicht aber
an die Weinblüte. Da stellt sich die Frage, ob Wein überhaupt blüht.
Eigenartig: Wein – ein österreichisches Kulturgut, und dann weiß man
nicht einmal, ob bzw. wie Wein blüht. Bis man eines Tages eine
flurnamenkundliche Arbeit von Heinrich Stary in die Hände bekommt und
erfährt, dass es für die Weinblüte sogar einen Fachausdruck gibt:
Gescheine. All diese Gedanken lenken einem vom Pinkeln im Sitzen ab.
Mariandl assoziiert man mit der Wachau. Und Mariandl pinkelt im Sitzen.
Die Entscheidung, sitzend oder stehend zu pinkeln, muss in der Regel
nur von Männern getroffen werden. Es gibt natürlich auch
Zwischenformen, wie etwa hocken und kauern.
Von
den alten Frauen von Brestowatz wurde berichtet, dass sie im Stehen
gepinkelt hätten. Sie hatten zwar lange bis zum Boden reichende
wallende Röcke an, aber keine Unterwäsche. Manchmal konnte man eine der
alten Frauen beobachten wie sie die Straße fegte. Sie hielt kurz im
Fegen inne und grätschte die Beine. Man hörte ein leises Zischen und
Plätschern, und wenn die alte Frau das Straßenfegen fortsetzte, dann
konnte man an der Stelle, an der sie inne gehalten hatte, eine Pfütze
entdecken. Über den Gesichtsausdruck der alten pinkelnden Frauen wurde
leider nichts berichtet.
Das war in Brestowatz und es ist schon über 60 Jahre her.
Da
drängt sich noch eine Erinnerung auf: Der Pichlinger See ist ein
Baggersee in der Nähe von Linz. Mittlerweile ist er gut erschlossen: Es
gibt ausreichend Toiletten und Umkleidekabinen. In den 70-er Jahren gab
es kaum Klos und überhaupt keine Umkleidekabinen. Dafür hatte eine
Erfindung Saison: Die tragbare Umkleidekabine. Das war ein Stoffsack,
den man sich wie ein Kleid über den Körper stülpen konnte. Für den Kopf
gab es ein Loch mit einem eingenähten Hosengummi. Wollte man sich nun
umziehen, dann stülpte man sich diesen Sack über. Darunter konnte man
ungeniert die Wäsche wechseln, wenngleich einem das Ganze einiges
Geschick abverlangte. Der Gesichtsausdruck der sich umziehenden
Personen zeugte von überspielter Scham und größter Konzentration.
Gibt
es diese tragbaren Umkleidekabinen noch? Darf man sie in Badeanstalten
verwenden, wo die Umkleidekabinen gebührenpflichtig sind? Wie lautet
der Produktname?
Eine andere Begebenheit
wurde im Mostviertel in den 80-er Jahren des 20. Jahrhunderts
beobachtet. Eine Gruppe von Leuten des Telegrafenbauamtes Haag war
dabei, das Gelände zu vermessen: Eine neue Trasse für einen
Telefonleitung sollte abgesteckt werden. Einer der Telegrafenbaubeamten
– er war mit einem rustikalen Anzug bekleidet und trug einen Filzhut –
erklärte einem Kollegen, wo Vermessungssteine eingegraben werden
sollten. Während er sprach, öffnete er den Hosenschlitz, holte seinen
Pimmel heraus und pinkelte ungeniert in die Wiese. Ohne im Sprechen
inne zu halten, ohne sich abzuwenden, ohne mit der Wimper zu zucken. Er
pinkelte mit der selben Natürlichkeit, mit der er sich den Filzhut
zurecht rücken würde. Er klopfte ab, verstaute seinen Pimmel wieder in
der Hose und trug in seinem Plan die Stelle ein, an der der
Vermessungsstein vorgesehen war. Für das Schleppen und Vergraben des
Vermessungssteins war ein Zivildiener zuständig.
Das
ging dann so, dass der Telegrafenbaubeamte den Zivildiener beauftragte,
ein Loch auszuheben, den Stein zu holen und einzugraben. So ein
Vermessungsstein wiegt gut und gerne 60 Kilo. Der Zivildiener schleppte
sich mit dem Stein ab und vergrub ihn an der angegebenen Stelle. Da
meinte der Vermessungsbeamte: "Ich habe es mir überlegt, die Stelle ist
ungünstig, grabe den Stein wieder aus und setze ihn hierher." Er zeigte
dem Zivildiener die betreffende Stelle. (Ohne dabei zu pinkeln.) Der
Zivildiener grub den Stein aus, schüttete das Loch zu, grub ein neues
Loch, schleppte den Stein dorthin und vergrub ihn. Der
Vermessungsbeamte ließ den Zivildiener den Stein noch mehrmals aus- und
wieder eingraben und meinte dann am Ende des Arbeitstages: "Weißt Du
was? Wir brauchen eigentlich keinen Stein: Grabe ihn aus und bring ihn
zurück zum Auto."
Natürlich wusste der Zivildiener,
dass das nur eine Schikane war, mit der sich der Vermessungsbeamte den
Tag verschönern wollte, aber er machte freundliche Miene zum bösen
Spiel. Von seinem Onkel hat er einen Tipp bekommen, wie man
Vermessungsbeamten einen Streich spielen könne: Wenn im Gelände eine
gerade Linie abgesteckt werden soll, dann geschieht das folgendermaßen:
Der Vermesser blickt durch ein optisches Gerät, einen sogenannten
Theodolit und der Zivildiener hält ungefähr 200 Meter davon entfernt
einen Pflock. Der Telegrafenbaubeamte signalisiert mit Handzeichen, ob
der Pflock mehr nach rechts oder mehr nach links gehört, und sobald der
Zivildiener den Pflock an die richtige Stelle gebracht hat, wird ihm
mit Handzeichen signalisiert, dort den Pflock einzuschlagen. Der
Streich besteht nun darin, dass man, sobald man das Zeichen zum
Einschlagen des Pflockes erhält, den Pflock einen halben Meter nach
links oder nach rechts hält. Daraufhin gerät der Vermesser in Bewegung
und beginnt zu fuchteln und zu hüpfen, aber aufgrund der Entfernung
kann er nichts sagen. Dieses Spiel kann man als Zivildiener maximal
zwei Mal spielen, beim dritten Mal würde der Vermesser
gesundheitsgefährlich rabiat werden.
Ein anderer
Telegrafenbaubeamter sagte: "Ihr Zivildiener gehört alle nach
Mauthausen, und dann: tatatatatatat!" Dabei schoss er mit einem
"Luftmaschinengewehr" auf den Zivildiener. Und das meinte er ernst.
Traurig, aber wahr!
An all das denkt man
natürlich nicht, wenn das Stichwort Wachau fällt. Man denkt vielleicht
an einen Buschenschank, wo es herrlichen Wein und köstliche Brote gibt,
wo all das noch dazu so billig ist, dass man einen Abend lang nach
Herzenslust essen und trinken kann. Zum Schluss kostet alles weniger
als zwei Vierterl Wein in der Stadt kosten würden. Bei diesem
Buschenschank sitzt man bis lange in die Nacht hinein, plaudert mit
Bekannten oder anderen Besuchern. Und wenn man dann zum Quartier zurück
geht, dann schwankt und wankt die Welt. Und wenn man auf dem Heimweg
Harn abschlagen muss, tut man das in ähnlicher Ungeniertheit, wie der
Telegrafenbaubeamte: Man ist zwar in der Wachau, aber man pinkelt im
Stehen. Unter Gelächter mitten auf die Straße, in einen Kanalschacht
oder dezent zu einem Busch. Aus irgend einem Grund halten es die Frauen
immer aus, bis sie bei einem Klo sind. Selbst auf dem Heimweg von einem
Buschenschank.
Nicht alle, aber manche
denken an den 20. Juni 1998. An dem Tag fand in Stein bei Krems ein
Weinfest statt. Aus diesem Anlass floss aus dem Stadtbrunnen Wein.
Genaugenommen war es so, dass beim Stadtbrunnen ein Fass Wein
angeschlagen wurde, und wer wollte, konnte dort gratis Wein trinken.
Dazu spielte die Blasmusik und ein Volksliedchor sang: "Die
ollaschenstn Hauer, deees san die Wachauer ..."
Bei
manchen Liedern fassten sich die SängerInnen an den Händen und bildeten
einen Kreis. Ein deutsches Touristenehepaar, das die Szene beobachtet
hatte, wurde eingeladen, mitzutanzen, und es hatte große Freude daran.
Für
dieses Weinfest war ein Teil der Straße gesperrt worden. Dennoch kam
ein Motorradfahrer die Straße herauf gefahren. Er war ganz in schwarzes
Leder gekleidet, hatte einen schwarzen Helm mit schwarz getöntem Visier
auf, und sein Motorrad war auch schwarz. Er kam bis zu der Stelle, wo
der in Tracht gekleidete Volksliedchor Lieder eines Kremser
Heimatdichters sang. Der Motorradfahrer sah ein, dass er hier nicht
durchkommen würde, also ließ er nur den Motor ein paar Mal aufheulen
und fuhr dann zurück. Als er dann auf der Bundesstraße war, gab er so
richtig Gas und brauste mit einem Höllengetöse davon.
Wer nach dem Weingenuss pinkeln musste, durfte das Klo eines Buschenschankes benutzen.
(Kennen
Sie den Unterschied zwischen einem Buschenschank und einem Heurigen?
Bei einem Buschenschank darf nur Wein aus eigenem Anbau ausgeschenkt
werden, bei einem Heurigen darf man auch zugekauften Wein kredenzen.)
Es
ist nun der geeignete Zeit(?)punkt gekommen, Namen zu nennen: Franz,
Deix, Harri, Christine, Michaela und Dagmar. Und ich war auch mit von
der Partie. (Ich, das ist in dem Fall Norbert Mottas. Genau: Der!)
Ich
war mit dem Zug nach Krems gefahren. Vom Bahnhof haben mich Franz,
Deix, Harri, Christine und Michaela abgeholt. Christine kannte von
ihrer Studienzeit eine Frau in Krems, bei der rief sie an und fragte,
ob sie mit ein paar Freunden übernachten könne. Die Freundin – Dagmar –
war angesichts des Überfallskommandos zwar kurz sprachlos, stellte sich
dann aber als äußerst gastfreundlich heraus. Ihr Mann war Schulwart,
und die Dienstwohnung war groß genug, um so einer Horde improvisiert
Quartier geben zu können.
Wir fuhren zu sechst im
Auto zur Wohnung von Dagmar & Co. Dort verstauten wir unser Zeug,
dann fuhren wir zu siebt im Auto nach Stein. (Der rote Mazda von Harri
war für fünf Leute zugelassen.) An einer Kreuzung, an der wir anhalten
mussten, stand ein Polizist. Er schaute ins Auto, blickte kurz entsetzt
drein, dann winkte er uns schnell weiter. In Stein parkten wir das Auto
ganz nahe an einer Mauer, so dass wir alle auf einer Seite aussteigen
mussten. Leute, die uns beim Aussteigen zusahen, zeigten offenes
Staunen, als das Aussteigen kein Ende nehmen wollte.
Aber
es herrschte schönes Wetter, es war Weinfest, und über Krems und Stein
lag eine Wolke von Heiterkeit. Am Abend sollten dann noch ein paar
Zeltfeste statt finden, auch das eine oder andere Feuerwerk war
angesagt.
Wir holten uns Wein vom Stadtbrunnen und
ein paar belegte Brote. Ich kaufte mir eine Flasche Limonade (Frucade),
der ich es verdanke, dass ich – als der tanzede Kreis gebildet wurde –
vom Mitmachen verschont wurde, weil ich die Flasche unbedingt in Händen
halten musste. Aber Franz, Deix, Harri, Christine, Michaela und Dagmar
kamen nicht ungeschoren davon.
Nachdem der Wein vom
Stadtbrunnen versiegt war, machten wir einen kleinen Rundgang und
suchten uns dann einen Buschenschank, um dort zu versumpern. Als es
finster wurde, gingen Christine, Deix und ich spazieren und nahmen ein
paar Flaschen Wein mit. Wir stiegen auf einen Hügel, von wo aus ein
herrlicher Ausblick auf die Gegend war: Wir sahen die Feuerwerke. In
die Donau waren haufenweise schwimmende brennende Kerzen gesetzt
worden, ein paar Boote fuhren in voller Festbeleuchtung auf und ab.
Christine erzählte heitere Anekdoten aus der Zeit, die sie in Krems
verbracht hatte. Und die Weinflaschen machten die Runde.
Als
wir zum Rest der Partie stießen, waren die auch schon gut angetrunken.
Wir tranken noch tapfer weiter, und als es Zeit war, den Rückweg
anzutreten, wollten der Franz und der Harri tatsächlich mit dem Auto
fahren. Wir anderen und die Wirtin konnten es ihnen zum Glück ausreden.
Zu unserem Quartier waren es ungefähr fünf Kilometer, aber wir
brauchten mehr als zwei Stunden. Auf halbem Weg kehrten wir in einem
Pub ein und tranken Bier. Irgendetwas fiel dort vor, aber ich erinnere
mich nur mehr dumpf daran: Irgendwer hat irgendwas irgendwohin
geschrieben.
Wir kamen an einer Baustelle vorbei. Von
dort hat der Franz ein Umleitungsschild genommen und so platziert, dass
die ganze Straße abgesperrt war. Als wir schon fast daheim waren,
fehlten Franz und Harri. Sie waren in eine Künette gefallen, und Franz
war nahe daran einzuschlafen.
Ich will mich nicht
dafür verbürgen, aber ich kann mir gut vorstellen, dass ich irgendwann
in eine Baugrube gepinkelt habe. Stehend, versteht sich.
"Was hat das alles mit "Sitzend Pinkeln in der Wachau" zu tun?", fragen Sie sich zurecht. Ich werde es Ihnen erklären.
Am
nächsten Tag wurde uns von unseren GastgeberInnen ein üppiges Frühstück
aufgetischt. Franz, der sich geweigert hatte, in einem normalen Bett zu
schlafen, und es vorgezogen hatte, sich in einen Teppich einzurollen,
klagte über Muskel- und Gelenksschmerzen. Wir anderen waren zwar auch
leicht angeschlagen aber doch größtenteils guter Dinge.
Am
frühen Nachmittag waren wir im Park von Krems in einem Gastgarten. Es
war gerade das Donaufestival im Gange. In der Nähe des Gastgartens war
eine Bühne, auf der eine bayerische Volxmusikgruppe spielte.
Seltsamerweise wirken Volxmusikanten immer todernst, selbst wenn sie
Spaß machen.
An unserem Tisch ging ein Mann vorbei,
der eine Krawatte mit aufgemalten Klaviertasten trug. Ich habe ihn
sofort erkannt: Es war Axel Zwingenberger.
Vielleicht kennen Sie das: Am Tag nach einer rauschenden Nacht befällt einen eine depressive Stimmung, und das beste Getränk dagegen wäre Tee, am besten Darjeeling. Aber an einem heißen Frühsommertag in einem Gastgarten, da trinkt man keinen Tee. Zuerst bestellt man noch Mineralwasser, aber irgendwann beugt man sich dann dem Druck des Faktischen und kauft sich ein Bier. Man geht dann früh zu Bett und schläft sehr gut. Vor dem Zubettgehen geht man natürlich pinkeln. Und jetzt sind wir genau da: Man pinkelt im Sitzen. Auch wenn man die Wachau schon verlassen hat, wenn man längst zurück in Wien ist.
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"Ach du meine Güte, Ach-du-mei-ne-Gü-te!", höre ich eine Frauenstimme im Telefon, "was sollen wir jetzt machen?"
Eine Männerstimme antwortet: "Ich weiß es auch nicht."
"Dabei hat sich Edi so darauf gefreut."
"Und Gertrude erst!"
"Ja, und jetzt ist es zu spät, um diese Zeit ist es unmöglich, noch irgendwo Tischtennisbälle aufzutreiben."
"Dabei hat sich unser Edi so darauf gefreut!"
"Wie unsere Gertrude."
"Entschuldigung", sage ich, "ich hätte noch ein paar Tischtennisbälle zu Hause, wenn das so wichtig für Sie ist."
"Hast Du gehört, da war eine Stimme in der Leitung.", sagt die Frauenstimme.
"Hallo, hallo!", ruft die Männerstimme.
"Hallo!", antworte ich.
"Hallo!" ruft nun auch die Frauenstimme.
Eine Zeitlang hört man gar nichts.
"Hallo?", sage ich.
"Ja, hallo, wer sind Sie?", fragt die Männerstimme.
"Bert Norden, Sportartikel und Kinderspielwaren en gros und en detail.", antworte ich.
"Hallo!", sagt die Frauenstimme ganz überflüssigerweise.
"Wie kommen Sie in unser Gespräch?", fragt die Männerstimme.
"Ich wollte die Susi anrufen, und wie ich den Hörer abnehme, höre ich Sie Ach-du-meine-Güte sagen."
"Das war nicht ich.", sagt die Männerstimme.
"Wer ist die Susi?", fragt gleichzeitig die Frauenstimme.
"Und Sie hätten wirklich ein paar Tischtennisbälle für uns?" fragt die Männerstimme.
"Meine
Freundin.", antworte ich. "Eigentlich habe ich das Geschäft schon
geschlossen, aber wenn das so wichtig ist, dann können Sie gerne
vorbeikommen und sich ein paar abholen!"
"Das wäre aber sehr nett!", sagt die Männerstimme, "Wie lautet Ihre Adresse?"
Da kracht es in der Leitung, ich höre nur noch tut tut tut ...
"Hallo?", sagt die Frauenstimme wohl, aber ich kann sie nicht mehr hören.
Nie werde ich erfahren, wozu die beiden so dringend Tischtennisbälle gebraucht hätten.
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HS: Hallo?
HB: Mathilda?
HS: No. Heide. Heide Schmidt.
HB: Oh, hello Mrs. Heide Schmidt. How are You?
HS: Thanks. I'm fine.
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O: Obereder!
W
(sehr freundlich): Guten Tag. Hier spricht Sabrina Winkler von den
Oberösterreichischen Nachrichten. Frau Obereder: Sie haben jetzt zwei
Wochen lang die Oberösterreichischen Nachrichten im Probeabonnement
bezogen, und ich möchte Sie fragen, ob Sie mit der Zustellung zufrieden
waren.
O (grantig): Weeer spricht do?
W: Sabrina Winkler von den Oberösterreichischen Nachrichten.
O: Winkla. Kenn ich nicht. Winkla, Winkla, san Se vielleicht mitn Fleischhacker vawont?
W: Nein. Ich rufe wegen Ihres Probeabonnements der Oberösterreichischen Nachrichten an.
O (etwas versöhnlicher): Weil unsa Fleichhocka, dea haßt a Winkla.
Kurze Pause
O: Hallo?
W: Ja, Frau Obereder. Haben Sie die Oberösterreichischen Nachrichten bekommen?
O: De Zeidung?
W:
Ja. Frau Obereder, Sie haben doch die Oberösterreichische Nachrichten
im Probeabonnement bezogen. Und ich würde gern wissen, ob Sie damit
zufrieden sind?
O: Um waos geht's do eigentlich?
W:
Ich möchte Ihnen ein tolles Angebot machen: Sie bekommen die
Oberösterreichischen Nachrichten weitere sechs Wochen zu einem
Einführungspreis, und wenn Sie sie dann weiter beziehen möchten, ...
O: Fia die Fleischhockazeidung hob i no nia wos zoid!
Sabrina
Winkler, die eigentlich Maria Kaiser heißt, legt auf, atmet ein paar
Mal tief durch und wählt dann die nächste Nummer ihrer Liste.
Frau Obereder zuckt mit den Schultern, legt auch auf und schimpft dann mit ihrem Enkelkind, das während des Telefongesprächs eine ganze Dose Niveacreme auf den Boden geschmiert hat.
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"Nein,
jetzt hörst du mir zu", unterbrach ihn Helga. Unnützerweise, denn wenn
Wolfgang redete, pflegte er nicht zuzuhören, und war daher auch für
derlei Ermahnungen nicht empfänglich. Seine Ausführungen leitete er
gewöhnlich mit "Pass auf, jetzt werde ICH dir etwas sagen!" ein.
Daraufhin folgte üblicherweise ein kurzer Abriss der politischen
Geschichte der letzten 200 Jahre, die dann in das Problemfeld mündete,
über das er sich auslassen wollte. Und darauf wieder folgte seine Sicht
der Dinge, und die Schilderung dessen, was er tun würde, wenn man ihn
nur fragte.
Aber kaum jemand machte mehr den Fehler,
ihn irgendetwas zu fragen, es sei denn jemand, der seine Gewohnheiten,
über alles dozieren zu müssen, noch nicht kannte. Keine noch so
einfache Frage wollte er ebenso einfach beantworten. Er wusste vielmehr
jedes Problem in einen größeren Problemkreis einzubetten, über den er
sich zuerst breit ausließ, um dann erst zur Beantwortung der Frage
überzugehen. Zu einem Zeitpunkt allerdings, an dem die meisten
GesprächsparterInnen bereits ausgestiegen waren. Dies bemerkte er kaum,
denn ihm fehlte die Gabe, aus den Gesichtsausdrücken seiner Gegenüber
Interesse oder Langweile heraus zu lesen. Seine dominante Erscheinung
wiederum verhinderte, dass gelangweilte GesprächsparterInnen von etwas
anderem zu sprechen begannen oder es gar wagten, ihn zu unterbrechen.
Selbst einem imperativen Harndrang nachzugehen war schwer, wenn er sich
in Fahrt geredet hatte.
Und daher war es für Helga
ein sinnloses Unterfangen, ihn unterbrechen zu wollen. Wie üblich war
es ihr wieder nicht möglich seinen Redeschwall zu stoppen. Das einzige,
was ihn stoppen konnte war das Telefon, dessen Läutton Helga
absichtlich extra laut eingestellt hatte, um ihm den Anschein höherer
Dringlichkeit zu verleihen.
Nun waren allerdings auch
Telefonanrufe eine Seltenheit, denn wer Wolfgang kannte, vermied es mit
Rücksicht auf die Telefonrechnung tunlichst, ihn anzurufen.
Diesmal war Helga aber entschlossen, ihm nach all den Jahren seine kommunikative Unfähigkeit in aller Deutlichkeit mitzuteilen.
Sie
hatte zwar mittlerweile ein beachtliches Repertoire an Störmanövern
entwickelt, mit denen es ihr gelang, die Monologe von Wolfgang zu
unterbrechen, aber verstanden hatte er das nie. Zum Beispiel nahm sie,
wenn er wieder einmal endlos dozierte, einen Luftballon aus der
Schublade und blies ihn so lange auf, bis er platzte. Kurz konnte sie
dann Wolfgangs Erstummen und sein ratloses Gesicht genießen, das aber
bald den Ausdruck eines gequälten Verständnisses für den Scherz eines
dummen Kindes annahm. In diesen Momenten hasste sie ihn.
Daran,
dass sie sich, wenn sie mit Wolfgang alleine war, in eine innere
Emigration zurückzog, war sie gewohnt, und es macht ihr auch nicht
allzu viel aus. Was sie aber unendlich störte, war die zunehmende
Isolation, in die sie ihr Zusammensein mit Wolfgang führte: Viele Leute
mieden es bereits, sich mit ihnen zu treffen, und wenn dennoch einmal
Bekannte vorbeischauten, dann machte Wolfgang jedes Gespräch unmöglich.
Helga war nun fest entschlossen, Wolfgang, wenn es sein muss, zu fesseln und zu knebeln, doch im Zuge des daraufhin entstandenen Gerangels bemerkte sie, dass Wolfgang ausschließlich auf Output geschaltet war, und Input war einfach nicht vorgesehen.
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Ich
bin Schneider. Jede Nacht sitze ich an meiner Nähmaschine und arbeite.
Meine Nähmaschine ist ein gutes Fabrikat: Sie läuft ruhig und
gleichmäßig. Nur nach Mitternacht kommt mir ihr Geräusch dann doch
etwas laut vor, und ich habe Angst, es könnte meine Nachbarn stören. Da
sie mich aber immer noch freundlich grüßen, dürften sie nichts hören.
Wenn
dann um sechs Uhr morgens draußen der Verkehr anhebt, wundere ich mich,
dass ich das Arbeitsgeräusch der Nähmaschine vor kurzem noch als laut
empfunden hatte.
Manchmal, wenn mein Rücken vom
langen Sitzen schmerzt, stehe ich auf und trete ans Fenster. Dabei kann
es sein, dass ich von dem, was ich sehe, abgelenkt werde und länger
beim Fenster verweile, als ich vorgehabt hatte. Um die Vorgänge
ungesehen beobachten zu können, schalte ich das Licht ab.
Besonders
interessiert mich das Fenster, das meinem Fenster gegenüber liegt. Wer
genau dort wohnt habe ich noch nicht feststellen können.
An
einem der ersten Tage in meiner neuen Wohnung, habe ich durch dieses
Fenster eine junge Frau gesehen, die sich entkleidete. Ich stieg auf
einen Sessel, um das Geschehen besser beobachten zu können. In meinem
Zimmer war kein Licht, die Gardinen waren zugezogen und ich hatte
dunkles Gewand an. Daher konnte ich von ihr unmöglich entdeckt werden.
Und dennoch blickte mir die junge Frau plötzlich direkt in die Augen
und verschwand in ihrem Zimmer. Dann ging das Licht aus, und als es
wieder anging, waren die Vorhänge geschlossen.
Ein
paar Tage später – es war an einem Vormittag – sah ich in ebendiesem
Zimmer eine andere junge Frau. Sie war sehr spärlich gekleidet und
werkte mit einem Staubsauger. Dabei rutschte ihr immer wieder die
Unterhose nach unten. Sie zupfte sie dann zurecht und saugte weiter.
Dabei war es ihr anscheinend vollkommen egal, dass ihr Fenster offen
stand, und ich – an der gegenüberliegenden Straßenseite – am offenen
Fenster stand und eine Zigarette rauchte.
Die
Fensterscheiben meines Zimmers sind schon sehr alt und nicht mehr
glatt. Wenn ich mich bewege, während ich zum Fenster hinausschaue, dann
bewirkt das, dass sich die Häuser auf der gegenüberliegenden
Straßenseite ebenfalls zu bewegen scheinen. Wenn ich an einer
bestimmten Stelle stehe und mich leicht bewege, dann bleibt der
Gehsteig ruhig. Die Häuser aber vollführen wellenartige Bewegungen.
Dieses Spiel fasziniert mich, und ich kann lange vor dem Fenster stehen
und die Häuser auf der anderen Straßenseite tanzen lassen.
Gestern
aber ist etwas passiert: Das Dach eines Hauses, das ich gerne tanzen
lasse, wurde repariert. Zu diesem Zweck hantierten ein halbes Duzend
Dachdecker in für mich schwindelerregender Höhe. Dabei liefen sie auf
dem steilen Dach umher, als bewegten sie sich auf sicherem Boden. Ich
wagte fast nicht hinzuschauen, so als würden meine Blicke die
Dachdecker in Gefahr bringen. Schließlich aber zwang ich mich, nicht
nur hinzuschauen, sondern mich auch dabei so zu bewegen, dass das Haus
für meine Augen zu tanzen begann. Was dann geschah, kann ich mir nicht
erklären. Die Dachdecker begannen plötzlich zu wanken und um
Gleichgewicht zu ringen. Zuerst hielt ich das ebenfalls für eine
optische Täuschung, dann aber bemerkte ich, dass alle verzweifelt
versuchten, sich irgendwo festzuhalten. Einer rutschte aus und drohte
abzustürzen, erst an der Dachrinne gelang es ihm, sich festzuhalten. In
einer spektakulären Aktion gelang es seinen Kollegen, ihn wieder auf
das Dach zu ziehen. Dabei konzentrierte ich alle meine Kräfte darauf,
mich nur ja nicht zu bewegen.
Und morgen lasse ich meine Fenster neu verglasen.
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